Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
Vom Netzwerk:
schritt am Rand des seichten Beckens entlang.
    »Das mag wohl eine alte Geschichte sein, aber es ist mir nicht vergönnt worden, sie zu leben. Ich habe sehr wenig Glück erfahren.«
    »Und Sie werden es auch künftig nicht, wenn sie Lily und den Kindern nicht ihre eigene Zeit gewähren. Sie müssen selbst ihren Weg finden.«
    »Sie beleidigen meine Lauterkeit. Mein Interesse gilt allein dem Wohlergehen der Kinder.«
    Mr. Whatley tauchte unter und schwamm zur anderen Seite des Beckens. Duncan wartete an der Treppe mit einem Bademantel. Whatley stieg aus dem Becken. Sein ganzer Körper bot sich unmanierlich nackt meinen Blicken, vollkommen menschlich, vollkommen männlich, muskulös und imponierend. Ich spürte, wie ich rot wurde, und war dankbar für die Dunkelheit. Er schlüpfte in den Mantel, und Duncan reichte ihm eine Zigarre.
    »Und beleidigen Sie nicht meine Intelligenz. Sie wären eine Närrin, eine solche Verbindung nicht zu erhoffen. Außerdem brauchen die Kinder eine Mutter. Vorzugsweise eine, die noch lebt.« Dagegen gab es wenig zu sagen. Ich dachte an Mr. Darrow, an unsere Gespräche im Musikzimmer und unsere mitternächtlichen Teepartys. In plötzlicher Panik fragte ich mich, ob unsere Gewogenheit echt war oder etwas, das ich unbewusst bereits von Anfang an geplant hatte. Der Gentleman biss das Ende der Zigarre ab, spuckte es aber offenbar nicht aus. Duncan zündete die Spitze an, und Whatley sog den Rauch tief ein.
    »Und was ist mit Lily?«, fragte ich. »Wird sie auch glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben?«
    Mr. Whatley nahm die Zigarre aus dem Mund und lächelte wieder.
    »Vielleicht. Wie lange das auch immer sein mag. Aber wenn wir alle unsere Rolle spielen, dann bekommt jeder, was er sich wünscht.«
    »Was ist Ihre Rolle dabei?«
    Die des Mörders.
    »Ich bin immer nur ich selbst.«
    Duncan war plötzlich an meiner Seite. Mr. Whatley entschwand in einen Tunnel, der tiefer in die Bäder hineinführte, und der glühende Punkt der Zigarre glitt mit ihm fort in die Dunkelheit.
    Wenn wir alle unsere Rolle spielen, dann bekommt jeder, was er sich wünscht.
    Und wenn ich mir Rache wünschen würde?
    Ich würde in Mr. Whatleys kleinem Spiel mitmachen, was immer er auch plante. Aber ich würde nicht die Rolle spielen, die er mir zudachte.

ELFTES KAPITEL
    Die gestohlene Sonne
    Duncan führte mich zum Eingang der Bäder und sah mir nach, als ich die Treppe hinauf zum übrigen Teil des Hauses stieg. Ich kam zur Bibliothek mit ihren vier Etagen, wo ewiges Mondlicht die Bücher in seinen bläulichen Schein tauchte. Ich hatte keine Chance, etwas gegen Mr. Whatley auszurichten, solange ich nicht wusste, worauf ich mich einließ. Ich fuhr mit den Fingern die ledernen Buchrücken entlang und entdeckte einen kleinen Stapel Bücher neben dem vornehmen Ledersessel, in dem Lily gesessen hatte, als wir ihr zum ersten Mal in diesem Raum begegneten. Eines trug den Titel Träume von Blackfield. Ich schloss die Tür der Bibliothek, setzte mich in Mrs. Darrows Sessel und schlug das Buch auf.
    Meine Augen flogen über Zeilen voller undeutbarer Schriftzeichen, und plötzlich befand ich mich in Mr. Darrows Arbeitszimmer. Der Mann selbst saß von einem Nachmittagsschläfchen übermannt zusammengesunken auf seinem Stuhl. Es war, als würde ich auf ihn zugeschoben, fast gegen meinen Willen. Ich schritt durch den Raum zu ihm hinüber. Er öffnete die Augen.
    »Charlotte?«
    »Sie können mich sehen?«
    »Ja, natürlich.« Er erhob sich von seinem Stuhl und trat dicht zu mir. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spüren. »Ich sehe dich hier immer.« Er berührte mit zitternden Fingern meine Wange und seufzte erleichtert.
    »Mr. Darrow   …«
    »Henry. Mein Name ist Henry.«
    »Henry   …« Er zog mich an sich und küsste mich leidenschaftlich auf die Lippen. Ich erwiderte den Kuss und strich mit den Fingern durch sein blondes Haar. Er drückte mich gegen die Wand und riss mich aus der Träumerei. Ich befand mich wieder in der Bibliothek.
    »Lieber Gott.« Ich legte das Buch zurück auf den Stapel, überlegte es mir dann aber und behielt es auf meinem Schoß. Mit heißem Gesicht und aufgewühlt versuchte ich, mir klar zu werden, wie real mein Erlebnis in dem Buch gewesen sein konnte. Was würde bei unserer nächsten Begegnung geschehen?
    Es war schwer, sich nicht zu Henry Darrow hingezogen zu fühlen. Er war ausgesprochen anziehend, gefühlvoll und wohlhabend. Dennoch fühlte sich die Vorstellung einer Beziehung nicht

Weitere Kostenlose Bücher