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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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erinnerte mich an das Blut auf Susannahs Händen und an Nanny Prums Schrei, der mich in all diesen Wochen verfolgte. Aber am deutlichsten erinnerte ich mich an den Mann in Schwarz, das Phantom aus meiner Jugend, das mir mein ganzes Leben gefolgt war und mir jeden genommen hatte, den ich liebte.
    Ein Mann wartet auf dich. Er beobachtet dich.
    Mit ganzer Seele suchte ich einen Weg aus der Finsternis, tastete nach festen Wänden, bis ich den Rand der Tür fand und in den leeren Bankettsaal zurückschlüpfte. Duncan erwartete mich mit einem kleinen Stück Pergament, auf dem stand, dass Mr. Whatley privat mit mir zu sprechen wünschte. Ich hätte es verweigern können, wollte aber nicht, dass er Verdacht schöpfte. Es war besser, wenn er noch nicht erkannte, wie viel ich jetzt verstand.
    Duncan führte mich tief hinein in das große Haus, viele Treppen hinab zu einem Raum, der einem Dampfbad glich. Trotz der wallenden Dampfschleier konnte ich Mr. Whatley auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes in einem trüben Mineralwasserbecken sehen. Er neigte seinen Kopf nach hinten, bis die Spitzen seiner Haare ins Wasser tauchten. Das Becken war groß, und das Wasser kräuselte sich an Stellen, an denen nicht er die Ursache dafür sein konnte. Ich sah etwas unter Wasser dahingleiten, das wie ein Aal oder eine Schlange aussah, und dann wurde mir klar, dass es sich um einen Tentakel handelte. Wenigstens ein halbes Dutzend wuchsen aus ihm heraus und durchschnitten träge und entspannt die Wasseroberfläche. Doch sein Gesicht war noch immer menschlich und so derb und ungebändigt wie bei unserer ersten Begegnung.
    »Ah, Mrs. Markham.« Er feixte über mein Unbehagen darüber, ihn in solch enthüllender Situation vorzufinden.
    »Mr. Whatley«, sagte ich scharf. Ich holte Luft, um mich zu beruhigen, und er deutete mit einer Hand, die noch menschlich war, auf eine Marmorbank am Rand des Beckens. Ich wusste, ich müsste eigentlich über die Anwesenheit solch eines Wesens in meiner unmittelbaren Nähe entsetzt sein, aber ich war nicht einmal erschrocken. Ich war zu wütend, mich zu fürchten. Alle Angst erlosch in dem Moment, als ich den zersplitterten Spiegel fand und das Gespenst des Mannes in Schwarz mit dem Darkling-Haus in Verbindung brachte. Wer könnte sonst eine Kuriosität wie die geheimnisvolle, sich stets verändernde Tür besitzen, als ein Sammler wie Mr. Whatley? Ich war mit den Kindern nicht nur in ein viel größeres, viel gefährlicheres Spiel gestolpert, als mir klar war, sondern in ein Spiel, an dem ich ungewollt seit meiner Kindheit teilgenommen hatte, eines, für das meine ganze Familie gestorben war.
    »Ich weiß, ich sollte mich entschuldigen, dass ich Sie in eineSituation gebracht habe, die in Ihrer Kultur als unpassend gilt, aber ich weigere mich.«
    »Müsste ich von Ihrer Unverschämtheit beeindruckt sein?«
    »Vielleicht. Ich teile das Interesse meiner Tochter an den menschlichen Sitten nur, wenn es mir gerade passt. Darüber hinaus bin ich nur ganz und gar ich selbst.«
    »Wie gut für Sie. Darf ich nach dem Zweck dieser Zusammenkunft fragen?«
    »Es kommt nur selten vor, dass sowohl Lily als auch die Kinder beschäftigt sind. Was hielten Sie von ihrem kleinen Spiel?«
    »Ich hielt es keineswegs für ein Spiel.«
    »Wesen wie Sie und ich sind viel zu selten, Mrs. Markham. Wir sagen, was wir meinen, und wir meinen, was wir sagen. Wir bleiben unbeirrbar, wer wir sind. Ich wünschte mir, ich hätte mehr Personen um mich mit dieser Beharrlichkeit, sie selbst zu sein.«
    »Da würde ich Ihnen zustimmen.«
    Er planschte im Wasser. »Denken Sie, dass Sie die Kinder auch weiterhin hierher bringen werden?«
    »Nach den heutigen Ereignissen glaube ich das nicht.«
    »Sie werden Sie dafür hassen.«
    »Das Opfer bin ich bereit zu bringen.«
    »Sehr tapfer von Ihnen. Ich bezweifle, dass das Mr. Darrow gefallen würde.«
    »Ich gewann den Eindruck, dass Sie nie das Vergnügen seiner Bekanntschaft hatten.«
    »Ich glaube, ich kenne ihn bereits ganz gut. Es ist die alte Geschichte, nicht? Der Witwer, der eine schöne junge Gouvernante für seine Kinder einstellt. Die geheime Romanze, der Fall gesellschaftlicher Hürden, die atemberaubende Hochzeit am Ende. Sie sind alle glücklich bis ans Ende ihrer Tage.«
    Ich versuchte, an seiner Miene abzulesen, worauf er hinauswollte, aber der Dampf war zu dick und seine Augen verrieten nichts in ihrer leeren, undeutbaren Schwärze. Ich faltete meine Hände im Schoß, stand auf und

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