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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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traurigen, heruntergekommenen Zustand. Sie sammelte die Puppen auf und setzte sie vor einen angenehm warmen Ofen, wo sie sich trocknen und erholen konnten. Als sie wieder so weit bei Kräften waren, dass sie sprechen konnten, setzte sie sich zu ihnen auf den Boden und hörte sich ihre Bitte an.
    »Gute Fee«, sagten sie. »Wir sind einst Kinder gewesen und möchten es wieder sein.«
    Die Fee tätschelte ihre weichen Stoffköpfchen und nickte verständnisvoll.
    »Seid ihr sicher, dass ihr das wirklich wollt? Stattdessen könnte ich eure Löcher flicken und den Stoff verstärken. Ihr könntet ewig leben, wenn ihr wollt. Das Leben eines Kindes hingegen ist oftmals hart und kurz.«
    Aber die Puppenkinder waren nur aus dem einen Grund hergekommen und wollten nicht von ihrem Wunsch lassen. So tat die Fee sie alle in einen großen Kessel und kochte sie sieben Tage lang, bis ihr Stoff wieder Haut wurde und ihre Füllung Fleisch und ihre kleinen Körper aufquollen zu ihrer ursprünglichen Größe. Als sie fertig war, schliefen sie einen ganzen Tag lang. Sie hatte Kleider für sie und einen Wagen mit einem Pferd, so dass sie, als sie erwachten, wohl ausgerüstet waren für die Rückkehr zu ihren Familien.
    Es war ein bittersüßes Wiedersehen. Die Familien hatten große Schuldgefühle wegen dem, was sie ihren Kindern angetan hatten, aber es blieb keine Zeit für Zorn oder Kummer darüber, denn die gute Fee hatte, als sie den Puppenkindern ihre ursprüngliche Gestalt wiedergab, ihnen auch die unheilbare Krankheit zurückgegeben, die ihre Eltern dazu trieb, die Hilfe des Zauberers zu suchen. Sie wurden zu Bett gebracht, und im Kreis ihrer Familien, welche sie vor so vielen Jahren allein gelassen hatten, holte der Tod nun nach, was er schon vor Jahren tun hätte sollen.
    Lily schloss das Buch und legte es in ihren Schoß. Während der Geschichte hatte sich James von ihr weggewunden und war in sein Bett gekrochen. Paul blieb an ihrer Seite. Er hatte die Augen geschlossen und den Arm um sie gelegt.
    »Ich glaube, ich mag keine Gutenachtgeschichten mehr«, sagte James.
    »Ich muss zugeben, dass diese ein wenig traurig ist, aber sie hat eine sehr gute Moral.«
    »Nimm dein Schicksal hin, oder du wirst es bereuen?« Paul gähnte und streckte sich. Er entließ sie aus seiner Umarmung und schlüpfte in sein eigenes Bett.
    »Aber nein   …« Lily starrte ihn einen Moment mit offenem Mund an, so sehr hatte seine Bemerkung sie getroffen. »Genieße die Zeit, die dir mit deinen Lieben bleibt. Was immer auch passiert.«
    James zog seine Decke bis zum Kinn hoch, und seine Mutter half ihm, sich einzukuscheln. »Glaubst du, dass sie glücklich waren, dass sie gestorben sind?«
    »Nicht dass sie gestorben sind, sondern dass sie wieder bei ihren Familien waren. Ja, das waren sie.« Sie küsste ihn auf die Stirn und drehte sich herum, um mit Paul das Gleiche zu tun, aber der lag bereits zugedeckt mit geschlossenen Augen da.
    »Wie konnten sie das?«, sagte er. »Sie waren verlassen. Jahrelang. So etwas vergisst man doch nicht.«
    »Aber das haben sie. Wenn einem nur so wenig Zeit miteinander bleibt, muss man über seinen Schatten springen.«
    Lily kniete sich neben ihn und küsste ihn auf die Wange. Er kniff die Augen zusammen und drehte sich zur Seite.
    »Ich bin müde.«
    Lily starrte ihn an, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht bekommen. Sie eilte aus dem Raum und lehnte sich draußen an die Wand. Ich schloss die Tür zum Zimmer der Buben und ging zu ihr auf den Korridor.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, mir geht es gut. Diese Geschichte   … Ich habe versucht, die beiden vorzubereiten. Sie haben Recht, wir müssen das alles bald beenden. Ich muss über meinen Schatten springen. Gute Nacht, Charlotte.« Wie die Buben küsste sie mich auf die Stirn und schritt allein davon, wohin immer sie sich auch begab, während wir schliefen. Ich hatte keine Zeit, dem Gedanken weiter zu folgen. Ich ging in mein Zimmer, direkt zum Kuriositätenschrank und öffnete das Fach mit den kleinen Kerzenmännern. Sie spielten gerade Ball mit dem Kopf des Kleinsten ihrer Gruppe, als ich mich missbilligend räusperte.
    »Könnt ihr mich bitte zu dem lichtlosen Raum bringen? Ihr wisst schon, welchen ich meine.« Sie brachen ihr Spiel ab und hüpften auf den Boden. Zusammen stapften wir durch das Haus von Darkling zu dem Marmorrelief mit den schmerzverzerrten Gesichtern. Ich drückte mit einem Finger in die Augenhöhle einer der Figuren, so wie ich es Duncan

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