Charlston Girl
einen letzten Versuch wagen.
Und wenn sie da nicht ist, nehme ich den Job an und gebe mich geschlagen. Endgültig.
»Also.« Dad wischt sich den Mund mit einer schokoladenbraunen Serviette. »Du siehst glücklicher aus, Liebes.« Er deutet mit dem Kopf auf den Brief. »Hast du dich entschieden, in welche Richtung du gehen möchtest?«
»Ja.« Ich nicke entschlossen. »Ich muss zur U-Bahn St. Pancras.«
23
Okay. Das ist der allerallerletzte Ort, an dem ich suche. Das ist ihre letzte Chance. Und ich hoffe, sie weiß den Aufwand zu schätzen.
Ich brauchte eine Stunde von St. Pancras nach St. Albans und noch mal zwanzig Minuten mit dem Taxi nach Archbury. Und hier stehe ich nun auf einem kleinen Dorfplatz mit einem Pub und einer Bushaltestelle und einer merkwürdig modern aussehenden Kirche. Wahrscheinlich wäre es wohl ganz malerisch, wenn hier nicht so viele Lastwagen durchdonnern und sich die drei Teenager im Wartehäuschen nicht prügeln würden. Angeblich soll es auf dem Lande doch so schön ruhig sein.
Ich verziehe mich, bevor einer von den Bengeln eine Waffe zückt, und halte auf die Grünfläche zu. Da steht ein Schild mit einer Straßenkarte vom Dorf, und schon bald lokalisiere ich Archbury Close. Das haben sie aus unserem Archbury House gemacht, nachdem es abgebrannt war. Sollte Sadie tatsächlich heimgekehrt sein, ist sie dort.
Nach wenigen Minuten sehe ich das schmiedeeiserne Tor. Archbury Close steht mit rundlichen Eisenbuchstaben dort geschrieben. Es sind sechs kleine Häuschen aus rotem Klinker, jedes mit kleiner Auffahrt und Garage. Es ist schwer vorstellbar, dass hier mal ein prächtiges Herrenhaus stand, mit einem großen Garten.
Ich komme mir komisch vor, als ich so herumspaziere, in die Fenster spähe, über kleine Kieswege knirsche und zische: »Sadie?«
Ich hätte Sadie mehr nach ihrem Elternhaus fragen sollen. Vielleicht hatte sie einen Lieblingsbaum oder irgendwas. Oder eine Lieblingsecke im Garten, wo inzwischen ein Geräteschuppen steht.
Weit und breit scheint niemand hier zu sein, so dass ich nach einer Weile etwas lauter rufe. »Sadie? Bist du hier? Sadie?«
»Entschuldigen Sie!« Ich zucke zusammen, als mir jemand an den Rücken tippt. Ich drehe mich um und sehe eine grauhaarige Frau in Blümchenbluse, hellbrauner Hose und Gummischuhen, die mich misstrauisch mustert.
»Ich bin Sadie. Was wollen Sie?«
»Ah...«
»Kommen Sie wegen der Kanalisation?«, fügt sie hinzu.
»Mh... nein.« Ich finde meine Stimme wieder. »Ich suche eine andere Sadie.«
»Welche Sadie?« Ihre Augen werden immer schmaler. »Ich bin die einzige Sadie hier. Sadie Williams. Nummer vier.«
»Okay. Die Sadie, die ich suche, ist... ein Hund«, improvisiere ich. »Sie ist mir weggelaufen und ich suche sie. Aber wahrscheinlich ist sie irgendwo anders. Tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe...«
Ich will gehen, aber Sadie Williams packt mich mit erstaunlich kräftigen Fingern bei der Schulter.
»Sie haben hier einen Hund frei laufen lassen? Wieso tun Sie so was? Hier herrscht striktes Hundeverbot.«
»Tut mir leid. Das wusste ich nicht. Jedenfalls ist sie bestimmt woanders hingelaufen...« Ich versuche, mich zu befreien.
»Wahrscheinlich schleicht sie in den Büschen herum und wartet nur darauf zuzuschlagen!« Wütend funkelt mich Sadie Williams an. »Hunde sind gefährliche Biester. Wir haben hier kleine Kinder. Leute wie Sie sind verantwortungslos!«
»Ich bin nicht verantwortungslos!«, gebe ich indigniert zurück, bevor ich es verhindern kann. »Sadie ist ein lieber Hund. Einen gefährlichen Hund würde ich nie frei laufen lassen!«
»Alle Hunde sind wild.«
»Nein, sind sie nicht!«
Lara, hör auf. Du sprichst von einem imaginären Hund.
»Und außerdem...«, endlich befreie ich mich von dieser Frau. »Sie ist bestimmt nicht hier, denn sie kommt, wenn ich sie rufe. Sie hört aufs Wort. Sie hat sogar... bei einer Hundeschau einen Preis gewonnen«, füge ich hinzu. »Ich sollte sie also lieber mal suchen gehen.«
Bevor mich Sadie Williams aufhalten kann, steuere ich auf das Tor zu. Sadie ist bestimmt nicht hier. Sie wäre aus ihrem Versteck gekommen und hätte sich den Auftritt angesehen.
»Was für eine Rasse ist sie denn?«, ruft Sadie Williams gereizt. »Wonach suchen wir?«
Oh Gott. Ich kann mich nicht beherrschen.
»Pitbull«, rufe ich über meine Schulter hinweg. »Aber wie gesagt, sie ist ganz lieb.«
Ohne mich umzusehen, haste ich zurück zum Dorfplatz. So viel zu meiner tollen
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