Charlston Girl
krampft sich zusammen. Ich zähle alles im Kopf zusammen und komme auf dreihundert. Mir wird ein bisschen übel.
»Mineralwasser?« Der Kellner tritt an den Tisch und hält uns beiden einen blauen Plexiglaswürfel hin. »Das ist unsere Wasserkarte. Wenn Sie es sprudelnd mögen, ist das Chetwyn Glen ganz lustig«, fügt er hinzu. »Es wird durch Vulkangestein gefiltert und besitzt eine feine Alkalität, die gut zu unseren Speisen passt.«
»Ah.« Ich zwinge mich, intelligent zu nicken, und der Kellner erwidert meinen Blick, ohne mit der Wimper zu zucken. Sobald er wieder in die Küche kommt, bricht er bestimmt vor Lachen zusammen: »Die hat fünfzehn Flocken bezahlt! Für Wasser!«
»Ich hätte lieber ein Pellegrino.« Clive zuckt mit den Schultern. Er ist Mitte vierzig, mit ergrauendem Haar, Froschaugen und Oberlippenbart, und er hat noch nicht ein einziges Mal gelächelt, seit wir Platz genommen haben.
»Dann von beidem eine Flasche?«, sagt der Kellner.
Neeeeiiiin! Nicht zwei Flaschen überteuertes Wasser. »Also, was würden Sie gern essen, Clive? Falls Sie es eilig haben, könnten wir direkt zum Hauptgang übergehen.«
»Ich habe es nicht eilig.« Clive wirft mir einen argwöhnischen Blick zu. »Sie?«
»Natürlich nicht!«, rudere ich eilig zurück. »Nein, nein! Ganz und gar nicht! Machen Sie nur...« Großzügig winke ich ab. »Alles, was Sie möchten.«
Nicht die Austern, bitte, bitte, bitte nicht die Austern...
»Zur Einstimmung die Austern«, sagt er nachdenklich. »Dann bin ich hin- und hergerissen zwischen dem Hummer und dem Risotto Porcini.«
Heimlich zuckt mein Blick auf die Speisekarte. Der Hummer kostet £90, das Risotto nur £45.
»Hm, schwere Entscheidung.« Ich versuche, beiläufig zu klingen. »Also, ich mag immer gern das Risotto.«
Schweigend starrt Clive in die Speisekarte.
»Ich liebe italienisches Essen«, werfe ich lachend ein. »Und ich wette, die Porcini sind köstlich. Aber es liegt ganz bei Ihnen, Clive!«
»Wenn Sie sich nicht entscheiden können«, meldet sich der Kellner hilfsbereit zu Wort, »könnte ich Ihnen sowohl den Hummer, als auch eine kleine Portion Risotto bringen.«
Er könnte was ? Er könnte was? Wer hat ihn überhaupt darum gebeten, sich hier einzumischen?
»Super Idee!« Meine Stimme klingt einen Tick schriller als beabsichtigt. »Zwei Hauptgerichte! Warum nicht?«
Ich spüre den süffisanten Blick des Kellners und weiß im selben Moment, dass er meine Gedanken lesen kann. Er weiß, dass ich blank bin.
»Und für Madame?«
»Ja. Genau.« Nachdenklichen Blickes fahre ich mit dem Zeigefinger über die Karte. »Ehrlich gesagt... Ich hatte heute Morgen ein Monsterfrühstück! Ich nehme also nur einen Caesar‘s Salad und keine Vorspeise.«
»Einen Caesar‘s Salad, keine Vorspeise.« Der Kellner nickt gelassen.
»Und möchten Sie bei Wasser bleiben, Clive?« Verzweifelt versuche ich, meine Stimme nicht allzu erwartungsvoll klingen zu lassen. »Oder lieber Wein...«
Bei der bloßen Vorstellung der Weinkarte läuft es mir kalt über den Rücken.
»Werfen wir mal einen Blick auf die Karte.« Clives Augen leuchten.
»Und vorweg vielleicht ein Gläschen Champagner. Einen schönen, älteren Jahrgang«, schlägt der Kellner mit leerem Lächeln vor.
Er konnte nicht einfach Champagner vorschlagen. Es musste ein älterer Jahrgang sein. Dieser Kellner ist ein echter Sadist.
»Dazu könnte ich mich überreden lassen!« Clive stimmt ein wehmütiges Lachen an, und irgendwie bringe ich mich dazu, mit einzusteigen.
Endlich geht der Kellner, nachdem er uns zwei teure Gläser sündhaft teuren Champagner eingeschenkt hat. Ich fühle mich etwas benommen. Bis ans Ende meiner Tage werde ich für dieses Essen zahlen. Aber es wird die Sache wert sein. Daran muss ich glauben.
»Also!«, sage ich und hebe mein Glas. »Auf den Job! Ich bin froh, dass Sie Ihre Meinung geändert haben, Clive...«
»Habe ich nicht«, sagt er und kippt seinen halben Champagner mit einem Schluck.
Ich starre ihn an, zermürbt. Werde ich langsam verrückt? Hat Kate die Nachricht falsch aufgenommen?
»Aber ich dachte...«
»Es wäre eine Möglichkeit.« Er bricht ein Brötchen auf. »Ich bin in meinem Job momentan nicht glücklich und ziehe einen Wechsel in Erwägung. Aber diese Leonidas Spom-Geschichte hat auch Nachteile. Machen Sie sie mir schmackhaft.«
Einen Moment fehlen mir die Worte. Ich investiere den Preis eines Kleinwagens in diesen Mann, und er hat möglicherweise gar kein
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