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Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
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Claridge‘s.«
    Kate windet sich. »Schlimmer. Das Lyle Place.«
    Meine Eingeweide krampfen sich zusammen. »Du machst Witze.«
    Das Lyle Place wurde vor etwa zwei Jahren eröffnet, und sofort bekam es den Titel »Teuerstes Restaurant Europas«. Es hat ein gewaltiges Hummerbecken und einen Springbrunnen und reichlich prominente Gäste. Selbstverständlich war ich noch nie dort. Ich habe nur im Evening Standard darüber gelesen.
    Wir hätten ihn nie, nie, nie das Restaurant aussuchen lassen dürfen. Ich hätte sagen sollen, wohin wir gehen. Ich hätte das Pasta Pot ausgesucht, gleich um die Ecke, wo es ein Mittagessen für £ 12.95 inklusive einem Glas Wein im Angebot gibt. Ich wage mir nicht mal vorzustellen , was ein Lunch für zwei im Lyle Place kostet.
    »Da kommen wir nicht rein!«, sage ich plötzlich erleichtert. »Ist immer voll.«
    »Er sagt, er könnte das bestimmt deichseln. Er kennt da ein paar Leute. Er reserviert den Tisch auf deinen Namen.«
    »Verdammt.«
    Ängstlich knabbert Kate an ihrem Fingernagel herum. »Wie viel ist in unserem Klientenspaßschwein?«
    »Ungefähr fünfzig Pence«, sage ich verzweifelt. »Wir sind blank. Ich werde meine eigene Kreditkarte nehmen müssen.«
    »Das ist die Sache bestimmt wert«, sagt Kate entschlossen. »Es ist eine Investition. Du musst wie eine Frau aussehen, die was bewegt. Wenn die Leute sehen, dass du im Lyle Place essen gehst, denken sie: ›Wow, Lara Lington muss ja gut verdienen, wenn sie es sich leisten kann, ihre Klienten ins Lyle Place auszuführen!‹«
    »Aber ich kann es mir nicht leisten!«, heule ich. »Könnten wir ihn anrufen und uns auf eine Tasse Kaffee verabreden?«
    Noch während ich es sage, weiß ich, wie lahm das aussehen würde. Wenn er essen gehen will, muss ich ihm ein Essen spendieren. Wenn er ins Lyle Place will, müssen wir ins Lyle Place gehen.
    »Vielleicht ist es gar nicht so teuer, wie wir glauben«, sagt Kate hoffnungsfroh. »Ich meine, in allen Zeitungen steht doch, wie schlecht es um die Wirtschaft steht, oder? Vielleicht haben sie die Preise reduziert. Oder es gibt ein Sonderangebot.«
    »Das stimmt. Und vielleicht bestellt er nicht so viel«, füge ich hinzu. »Ich meine, er ist sportlich. Er ist kein großer Esser.«
    »Bestimmt nicht!«, gibt Kate mir recht. »Er nimmt bestimmt nur ein winziges Stückchen Sashimi und ein Wasser und fertig. Und er wird definitiv keinen Alkohol bestellen. Heutzutage trinkt niemand mehr beim Mittagessen.«
    Ich bin schon viel zuversichtlicher. Kate hat recht. Heutzutage gibt es bei Geschäftsessen keine Drinks mehr. Und wir können uns auf zwei Gänge beschränken. Oder sogar nur auf einen. Eine Vorspeise und eine schöne Tasse Kaffee. Wäre das nicht auch okay?
    Und außerdem, was wir auch essen, so teuer kann es nun auch wieder nicht sein, oder?
    Oh mein Gott! Ich glaub, ich fall in Ohnmacht!
    Leider darf ich es nicht, denn eben hat mich Clive Hoxton gebeten, die Jobdetails noch mal kurz durchzugehen.
    Ich sitze auf einem durchsichtigen Stuhl an einem Tisch mit weißem Tuch. Rechts von mir sehe ich das berühmte, überdimensionale Hummerbecken, in dem Schalentiere aller Art über Steine krabbeln und gelegentlich von einem Mann auf einer Leiter per Drahtnetz herausgefischt werden. Zu meiner Linken steht ein Käfig mit exotischen Vögeln, deren Zwitschern sich unter das Rauschen des Springbrunnens mitten im Raum mischt.
    »Also...« Meine Stimme kommt etwas schwächlich heraus. »Wie Sie wissen, hat Leonidas Sports kürzlich eine holländische Handelskette übernommen...«
    Ich bin auf Autopilot. Mein Blick zuckt über die Speisekarte aus Plexiglas. Jedes Mal, wenn ich einen Preis entdecke, packt mich das blanke Entsetzen.
    Ceviche vom Lachs, Origami Style £34.
    Das ist eine Vorspeise. Eine Vorspeise.
    Halbes Dutzend Austern £46.
    Es gibt kein Sonderangebot. Es gibt keinerlei Anzeichen für schlechte Zeiten. Überall um uns herum essen und trinken die Gäste fröhlich vor sich hin, als wäre das alles ganz normal. Bluffen die? Zittern sie insgeheim innerlich? Wenn ich auf einen Stuhl steigen und schreien würde: »Das ist alles viel zu teuer! Ich lasse mir das nicht mehr gefallen!«, würde ich damit einen Massenboykott auslösen?
    »Offenbar möchte der Vorstand einen neuen Marketingdirektor, der diese Expansion überblickt...« Ich habe keine Ahnung, was ich da plappere. Ich mache mich für einen Blick auf die Hauptspeisen bereit.
    Entenfilet mit dreierlei Orangenpüree £ 59.
    Mein Magen

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