Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Charlston Girl

Charlston Girl

Titel: Charlston Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
mehr in Anspruch nehmen. Ich brauche nur eine Antwort, ja oder nein.« Ich wende mich dem Amerikaner zu. »Möchten Sie mit mir ausgehen?«
    »Sag ja! Sag ja !« Sadies Geschrei wird unerträglich.
    Das ist doch grotesk. Der Amerikaner kann definitiv etwas hören. Er schüttelt den Kopf und macht zwei Schritte seitwärts, doch Sadie folgt ihm, hört nicht auf zu kreischen. Seine Augen werden glasig. Er sieht aus wie in Trance.
    Keiner der Anwesenden rührt sich oder sagt etwas. Alle scheinen vor Schreck wie erstarrt zu sein. Eine Frau hält sich die Augen zu, als müsste sie ein Zugunglück mit ansehen.
    »Sag ja! Langsam wird Sadie heiser vom Schreien. »Sofort! Sag es! SAG JA!«
    Fast ist es komisch, sie so laut schreien zu sehen, ohne dass sie auch nur die leiseste Reaktion erntet. Doch als ich sie so sehe, empfinde ich vor allem Mitleid. Sie sieht so machtlos aus, als stünde sie hinter einer Glasscheibe und nur ich könnte sie hören. Sadies Welt muss schrecklich einsam sein, denke ich plötzlich. Sie kann nichts anfassen, sie kann mit niemandem kommunizieren, und es wird überdeutlich, dass sie zu diesem Mann nie im Leben durchdringen wird. »Ja.« Der Amerikaner nickt verzweifelt. Mein Mitleid erstirbt.
    Rund um den Tisch stöhnt alles auf. Man hört ein eilig ersticktes Kichern. Augenblicklich glotzen mich alle an, aber ich bin zu sprachlos, als dass ich etwas sagen könnte. Er hat ja gesagt.
    Bedeutet das... muss ich tatsächlich mit ihm ausgehen? »Super!« Ich versuche, meinen Verstand auf Vordermann zu bringen. »Also... dann schicke ich Ihnen eine Mail, ja? Ich heiße übrigens Lara Lington, hier ist meine Karte...« Ich krame in meiner Handtasche herum.
    »Ich bin Ed.« Der Mann macht einen leicht benommenen Eindruck. »Ed Harrison.« Er greift in sein Jackett und holt seine eigene Visitenkarte hervor.
    »Also... nun... dann auf Wiedersehen, Ed!« Ich nehme meine lasche und trete unter allgemeinem Tumult eilig den Rückzug an. Ich höre jemanden sagen: »Wer zum Teufel war das?«, und eine Frau sagt mit schneidender Stimme: »Siehst du? Man muss nur Mumm haben. Mit Männern muss man direkt sein. Schluss mit den Spielchen. Sagen wie es ist. Wenn ich damals gewusst hätte, was dieses junge Mädchen weiß...«
    Was weiß ich?
    Ich weiß überhaupt nichts, nur dass ich hier raus muss.

8
    Ich stehe noch immer unter Schock, als Sadie mich einholt, mitten in der Lobby im Erdgeschoss. Ungläubig spiele ich die Szene immer wieder durch. Sadie hat mit diesem Mann kommuniziert. Er hat sie tatsächlich gehört. Ich weiß nicht genau, wie viel er gehört hat... aber offenbar genug.
    »Ist er nicht ein Traum?«, sagt sie versonnen. »Ich wusste, dass er ja sagen würde.«
    »Was war da los?«, knurre ich ungläubig. »Was war dieses Geschrei? Ich dachte, du kannst nur mit mir sprechen!«
    »Sprechen geht nicht«, sagt sie. »Aber mir ist aufgefallen, dass die meisten Menschen etwas wahrnehmen, wenn ich ihnen direkt ins Ohr schreie. Es ist furchtbar anstrengend.«
    »Dann hast du es also schon mal gemacht? Hast du noch mit anderen gesprochen?«
    Ich weiß, es ist lächerlich, aber ich bin ein kleines bisschen eifersüchtig, dass sie noch andere Menschen erreichen kann. Sadie ist mein Geist.
    »Oh, ich habe ein paar Worte mit der Queen gewechselt«, sagt sie leichthin. »Nur so aus Spaß.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Möglich.« Sie wirft mir ein böses, kleines Lächeln zu. »Aber für meine alten Stimmbänder ist es die Hölle. Nach einer Weile gebe ich immer auf.« Sie hustet und reibt sich die Kehle.
    »Ich dachte, ich wäre der einzige Mensch, der dich sehen kann.« Und obwohl es kindisch ist, füge ich noch hinzu: »Ich dachte immer, ich wär was Besonderes.«
    »Du bist die Einzige, die ich auf Anhieb erreichen kann«, sagt Sadie nach kurzem Überlegen. »Ich muss nur an dich denken und schon bin ich bei dir.«
    »Oh.« Insgeheim freut mich das.
    »Also, wohin führt er uns wohl aus? Was meinst du?« Ihre Augen funkeln. »Ins Savoy? Ich liebe das Savoy.«
    Glaubt sie allen Ernstes, wir gehen zu dritt aus? Ein schräger, kranker Dreier-mit-Gespenst?
    Okay, Lara. Flipp nicht gleich aus. Dieser Typ wird sich nicht ernstlich mit dir treffen wollen. Er wird meine Karte zerreißen und den Zwischenfall auf seinen Kater/seine Medikamente/seinen Stress schieben, und ich werde ihn nie wiedersehen. Selbstbewusster marschiere ich auf den Ausgang zu. Für heute war das genug Irrsinn. Ich hab schließlich noch was

Weitere Kostenlose Bücher