Charlston Girl
Typ mit dem Spitzbart?
»Der da natürlich!« Sadie deutet vage nach vorne.
DER TYP, DER DIE PRÄSENTATION HÄLT?, schreibe ich, um sicherzugehen.
»Nein, Dummerchen!« Sie kichert. »Der da!« Sie taucht plötzlich vor dem Amerikaner mit der Sorgenfalte auf und himmelt ihn sehnsüchtig an. »Ist er nicht ein Goldstück?«
»Der da?«
Uups. Ich habe es laut ausgesprochen. Alle sehen mich an, und ich gebe mir eilig Mühe, so zu tun, als müsste ich mich räuspern: »Hmrrrm, hrrrmm.«
IM ERNST?, schreibe ich auf meinen Block, als sie wieder neben mir sitzt.
»Der ist zum Anbeißen!«, sagt sie mir ins Ohr und klingt etwas beleidigt.
Skeptisch betrachte ich den Amerikaner und versuche, fair zu bleiben. Wahrscheinlich sieht er ganz gut aus für einen von diesen geschniegelten Typen. Seine Haare sprießen über einer breiten, eckigen Stirn. Er hat einen eher dunklen Teint, und dass die Arme behaart sind, sieht man an dem, was unter seinen weißen Manschetten herausragt. Sein Blick ist in der Tat stechend. Er besitzt diese magnetische Anziehungskraft, die Führungskräfte anscheinend immer haben. Starke Hände und Gesten. Wenn er spricht, sind alle ganz Ohr.
Aber mal ehrlich: Er ist so was von überhaupt nicht mein Typ. Zu intensiv. Zu stirnrunzelig. Und alle Anwesenden scheinen panische Angst vor ihm zu haben.
»Apropos.« Er nimmt einen Plastikordner und schubst ihn mit Schwung quer über den Tisch dem Mann mit dem Spitzbart zu. »Gestern Abend habe ich ein paar Punkte zu Morris Faruqar zusammengestellt. Nur ein Memo. Könnte uns bei unserem Beratungsgespräch helfen.«
»Oh.« Der Spitzbart wirkt wie vor den Kopf gestoßen. »Okay... danke. Das ist nett.« Ratlos blättert er darin herum. »Darf ich das verwenden?«
»So ungefähr hatte ich es mir vorgestellt«, sagt der Amerikaner mit knappem, zynischem Lächeln. »Also, angesichts des letzten Punktes...«
Von meinem Platz aus kann ich sehen, wie der Mann mit dem Spitzbart neugierig die vollgetippten Seiten durchgeht. »Wann zum Teufel hatte er dafür noch Zeit?«, raunt er seinem Nachbarn zu, der mit den Schultern zuckt.
»Ich muss los.« Plötzlich wirft der Amerikaner einen Blick auf seine Uhr. »Tut mir leid, wenn ich das Meeting gesprengt habe. Simon, übernehmen Sie!«
»Ich hätte noch eine Frage!« Eilig hebt der blonde Mann die Hand. »Wenn Sie von einem Innovationsprozedere sprechen, meinen Sie damit...«
»Schnell!« Plötzlich höre ich Sadies Stimme in meinem Ohr. »Frag ihn, ob er mit dir ausgeht! Er haut ab! Du hast es versprochen! Tu es! Tuestuestues-...«
OK!!!!!, schreibe ich. MOMENT.
Sadie beobachtet mich erwartungsvoll. Nach einer Weile macht sie ungeduldige »Los jetzt!«-Gesten mit den Händen. Mister Sorgenfalte hat dem blonden Mann geantwortet. Er verstaut seine Unterlagen im Aktenkoffer und greift sich einen dunkelblauen Mantel.
Ich kann das nicht. Mir stehen die Haare zu Berge.
»Mach schon! Mach schon!« Sadie versucht, mich anzuschieben. »Frag ihn!«
Das Blut pulsiert in meinem Kopf. Meine Beine zittern unterm Tisch. Irgendwie bringe ich mich dazu, die Hand zu heben.
»Verzeihung?«, quieke ich.
Mister Sorgenfalte dreht sich um und betrachtet mich verwundert. »Entschuldigen Sie, ich glaube, wir wurden einander noch nicht vorgestellt. Seien Sie mir nicht böse, aber ich bin sehr in Eile...«
»Ich habe nur eine Frage.«
Alle am Tisch drehen sich um und starren mich an. Ich sehe, wie ein Mann seinen Nachbarn fragt: »Wer ist das?«
»Okay.« Er seufzt. »Eine kurze Frage noch. Worum geht‘s?«
»Ich... äh... es ist nur... ich wollte fragen...« Meine Stimme holpert, und ich räuspere mich. »Würden Sie gern mal mit mir ausgehen?«
Alles hält die Luft an, abgesehen von jemandem, der in seinen Kaffee prustet. Mein Gesicht ist brennend heiß, aber ich halte mich aufrecht. Ich sehe, dass die Leute am Tisch erstaunte Blicke tauschen.
»Wie bitte?«, sagt der Amerikaner verdutzt.
»So... auf ein Date?« Ich riskiere ein kleines Lächeln.
Plötzlich sehe ich Sadie neben ihm.» Sag ja! , kreischt sie ihm ins Öhr, so laut, dass ich fast an seiner Stelle zusammenzucke. »Sag ja! Sag ja!
Erstaunt sehe ich, wie der Amerikaner reagiert. Er neigt den Kopf, als würde er ein fernes Funksignal empfangen. Kann er sie hören?
»Junges Fräulein«, sagt der Grauhaarige knapp. »Das ist hier weder der rechte Ort, noch der rechte Augenblick...«
»Ich wollte nicht stören«, sage ich kleinlaut. »Ich werde Ihre Zeit nicht
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