Charlston Girl
kann mich unmöglich vor den Kopf stoßen, obwohl er gar nichts von mir weiß und ich auch ohne Weiteres eine Serienkillerin sein könnte?
»Gute Idee«, sage ich begeistert.
»Samstagabend, halb acht?«
»Abgemacht.«
Als ich den Hörer auflege, kann ich es nicht fassen. Ich bin tatsächlich mit Mister Sorgenstirn verabredet. Und Sadie weiß von nichts.
»Sadie.« Ich sehe mich um. »Saadie! Kannst du mich hören? Du wirst es nicht glauben! Er hat angerufen!«
»Ich weiß«, höre ich Sadies Stimme direkt hinter mir, und als ich herumfahre, sehe ich sie auf der Fensterbank sitzen.
»Du hast es verpasst!«, rufe ich begeistert. »Dein Typ hat angerufen! Wir haben uns...« Ich stutze, als ich begreife. »Oh mein Gott! Das warst du, oder? Du bist hingegangen und hast ihn angeschrien.«
»Selbstverständlich!«, sagt sie stolz. »Es war mir einfach zu trübsinnig, auf seinen Anruf zu warten, also habe ich beschlossen, ihm einen kleinen Schubs zu geben.« Ihre Augenbrauen senken sich missbilligend. »Du hattest übrigens recht. Er hatte die Karte weggeworfen. Sie war in seinem Mülleimer, total zerknüllt. Er wollte dich wirklich nicht anrufen!«
Sie sieht so empört aus, dass ich mir direkt das Lachen verkneifen muss.
»Willkommen im 21. Jahrhundert. Und wie hast du ihn dazu gebracht, es sich anders zu überlegen?«
»Es war harte Arbeit!« Sadie ist entrüstet. »Erst habe ich ihm gesagt, dass er dich anrufen soll, aber er hat mich einfach ignoriert. Dauernd hat er sich von mir abgewendet und immer schneller getippt. Da bin ich dann so richtig nah rangegangen und hab ihm gesagt, wenn er dich nicht anruft und sich mit dir verabredet, wird ihn Gott Ahab mit einem Fluch belegen, der ihn krank macht.«
»Wer ist Gott Ahab?«, frage ich ungläubig.
»Der war in einem Groschenheft, das ich mal gelesen habe.« Sadie scheint mit sich zufrieden zu sein. »Ich habe ihm gesagt, dass er sich nie mehr bewegen kann und von ekligen Warzen übersät ist. Ich konnte sehen, wie er schwankte, aber immer noch hat er mich zu ignorieren versucht. Da habe ich mir dann seine Schreibmaschine angesehen...«
»Computer?«, werfe ich ein.
»Auch gut«, sagt sie ungeduldig. »Ich habe ihm gesagt, das Ding geht kaputt und er wird seinen Job verlieren, wenn er dich nicht anruft.« Ihr Mund zieht sich zu einem seligen Lächeln in die Breite. »Danach hat er sich ziemlich beeilt. Als er die Karte aus dem Müll holte, hat er sich allerdings immer wieder an den Kopf gefasst und laut gesagt: ›Wieso rufe ich diese Frau an? Warum tue ich das?‹ Also habe ich ihm ins Ohr geschrien: ›Du möchtest sie gern anrufen! Sie ist sehr hübsch!‹« Triumphierend wirft Sadie ihr Haar zurück. »Und deshalb hat er dich angerufen. Bist du denn gar nicht beeindruckt?«
Sprachlos starre ich sie an. Sie hat den Mann erpresst, damit er sich mit mir verabredet. Sie hat ihn zu einem Date gezwungen, an dem er gar kein Interesse hat. Ich kenne keine Frau auf dieser Welt, die weiß, wie man einen Mann dazu bewegt, sie anzurufen. Keine einzige. Okay, sie hat übermenschliche Fähigkeiten eingesetzt, aber sie hat es geschafft.
»Großtante Sadie«, sage ich langsam. »Du bist genial.«
9
Manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, stelle ich mir alle Gesetze vor, die ich aufstellen würde, wenn ich auf dieser Welt das Sagen hätte. Wie es der Zufall will, betreffen einige davon Exfreunde, und jetzt habe ich ein neues Gesetz:
Exfreunde dürfen keine anderen Mädchen in das Restaurant ausführen, in dem sie immer mit ihrer Vorgängerin waren.
Ich fasse es einfach nicht, dass Josh mit diesem Mädchen ins Bistro Martin geht. Wie kann er nur?
Es ist unser Lokal. Verdammt, da hatten wir unser erstes Date! Es ist Verrat an unseren gemeinsamen Erinnerungen. Es ist, als wäre unsere ganze Beziehung ein Etcha-Sketch, und man würde die Zeichenfläche einfach wieder leer schütteln, ein neues Bild malen und vergessen, wie das alte, viel bessere und interessantere Bild aussah.
Davon mal abgesehen, haben wir uns gerade erst getrennt. Wie kann er nach nur sechs Wochen schon mit einer anderen ausgehen? Begreift er denn überhaupt nichts ? Sich blindlings in die nächste Beziehung zu stürzen, ist doch nie gut! Wahrscheinlich macht es ihn nur unglücklich. Das hätte ich ihm vorher sagen können, wenn er mich gefragt hätte.
Es ist halb eins an einem Samstag, und ich sitze hier schon zwanzig Minuten. Ich kenne das Restaurant so gut, dass ich alles perfekt durchplanen
Weitere Kostenlose Bücher