Charons Klaue
die Pfeife zerstört wird, ist auch das magische Wesen, das du Andahar nennst, dahin. Und das gilt auch für Entreris Reittier. Sie sind keine lebenden Wesen, sondern geschickt geformte Zauberdinge. Ohne die Verkleidung könntest du meilenweit auf deiner Pfeife reiten, auch wenn dir das natürlich weniger gefallen würde und deinem Hintern noch weniger.«
Drizzt konnte kaum mit ihr Schritt halten, so ungeheuerlich war das, was die Frau über Guenhwyvar gesagt hatte. Angesichts seines verständnislosen Blicks kam Arunika herüber und legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter.
»Guenhwyvar ist etwas anderes als deine Pfeife«, erklärte sie. »Sie ist anders als Entreris Höllenross. Guenhwyvar ist ein lebendes, atmendes Geschöpf aus einer anderen Dimension, dessen Wesen nicht in der Statue gefangen ist, sondern von ihr gerufen wird. Es ist ein sehr alter Zauber, vermutlich aus den Zeiten der großen Mythen, und kaum ein lebender Magier, nicht einmal Elminster selbst, könnte ihn heute wohl noch nachmachen.«
»Du glaubst, sie ist tot«, bemerkte Drizzt.
Arunika zuckte mit den Schultern und klopfte ihm wieder auf die Schulter. »Ich glaube, das können wir nicht wissen. Was wir – was ich weiß, ist, dass ich keine Verbindung zwischen deiner Statue und dieser Guenhwyvar finden kann. Die Statue ist immer noch magisch, so viel ist leicht zu erkennen, aber sie ist wie ein Leuchtfeuer, das niemand sieht.«
Drizzt schluckte und schüttelte langsam den Kopf. Das wollte er nicht hören.
»Tut mir leid, Drizzt Do’Urden«, sagte Arunika, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange.
Er wich ihr aus. »Such weiter!« Er dachte an jenen schicksalhaften Tag in Mithril-Halle, damals vor langer Zeit, als er Jarlaxle gepackt und in ähnlicher Weise angefleht hatte, Catti-brie und Regis zu finden.
Arunika bedachte ihn mit ihrem beruhigenden, einfühlsamen Lächeln und nickte.
Drizzt wankte aus dem Raum, durch das Wirtshaus und auf die Straße, wo nur noch wenige Leute unterwegs waren, die ihn neugierig anstarrten.
»Er war mit der Rothaarigen im Bett«, kicherte eine Frau, die mit ihrer Freundin vorbeilief und den wackligen Gang des Drow missdeutete.
»Guenhwyvar«, flüsterte Drizzt und drehte die Statue in der Hand. Ihn überkam rasende Wut. Er blies in seine silberne Pfeife und sprang auf Andahars starken Rücken, als das Einhorn heranpreschte. Dann sprengte er in gestrecktem Galopp davon.
Er brauchte die körperliche Anstrengung. Sie sollte ihn erschöpfen. In diesem schwarzen Augenblick brachte nur Handeln ihm Trost.
So ritt er durch das Haupttor von Niewinter. Andahars Hufe donnerten über die Straße nach Norden, und der Wind trieb dem Drow die Feuchtigkeit in die veilchenblauen Augen.
Falls es der Wind war.
»Und ich dachte, ich hätte Alegni gehasst«, stellte Entreri fest, als er Dahlia an dem kleinen Lagerfeuer gegenüberstand. Eigentlich hätten sie hier draußen in der Wildnis kein Feuer machen dürfen, aber diese beiden Krieger hörten nur selten auf mäßigende Stimmen. Vielleicht war es auch gerade diese innere Mahnung, die ihre gequälten Seelen dazu anstachelte, mit einem solchen Licht die Gefahr erst heraufzubeschwören.
»Du etwa nicht?«, fragte die Elfe sarkastisch.
Entreri lachte. »Oh doch, von ganzem Herzen. Dachte ich jedenfalls – bis ich meinen Hass mit deinem verglichen habe.«
»Vielleicht ist dein Herz nicht so groß wie meins.«
»Vielleicht ist mein Herz nicht so schwarz wie deins.« Der Meuchelmörder grinste bei diesem Seitenhieb und wartete auf die Entgegnung der scharfzüngigen Frau. Doch zu seiner Überraschung starrte Dahlia nur in die Flammen und schürte sie mit einem Stock. Sie stocherte in den Kohlen herum, bis kleine Flammen herausbrachen, deren unstetes Spiegelbild ihre Augen zum Glänzen brachten.
In Dahlias schönen Augen standen Schmerz und glühender Zorn – nein, mehr als das, eher nackte Wut, die sich in einem scharfen, spitzen Lichtpunkt kristallisierte.
Dieses Gefühl kannte Artemis Entreri aus eigener Erfahrung, und auch er war damals noch sehr jung gewesen.
»Du nimmst dir viel heraus«, sagte Dahlia. »Wir wollten Alegni töten, und das haben wir getan. Du hast ihn genauso unerbittlich angegriffen wie ich.«
Auch das, den Themawechsel, kannte Entreri gut.
»Ich hatte keine Wahl. Ich konnte ihm nicht entkommen«, sagte er. »Er hatte das Schwert, und das Schwert hatte mich. Ich hatte beschlossen zu kämpfen …«
»Bis zum
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