Charons Klaue
ich beschließe, dass es Zeit ist zu gehen.«
Als ob Alegnis Auftritt noch nicht ausgereicht hätte, um die Anführer auf ihren Plätzen zu halten, schwang in diesem Augenblick die Tür weit auf, und Effron der Missgestaltete kam mit einer Horde bewaffneter Shadovar herein. Alegni bemerkte Jermander unter ihnen. Jermander? Diesen Söldner kannte er und Cavus Dun ebenfalls. Er prägte sich ein, Effron wegen dieses unerwarteten Erscheinens zur Rede zu stellen.
Der Tiefling sah sich im Raum um und ließ ein paar angespannte Momente verstreichen. Als klar wurde, dass keiner der Siedler von Niewinter sich gegen ihn erheben würde, wandte er sich Jelvus Grinch zu.
»Du befehligst die Weiße Garde«, wies er den Mann an. »Du und ein von dir gewählter Vertreter erhalten einen Platz an meiner Tafel, und du allein unter den Menschen von Niewinter darfst mir die Sorgen der Stadtwache vortragen. Bist du einverstanden?«
Unwillkürlich warf Jelvus Grinch einen Blick auf das mörderische Schwert. Er schluckte, und Alegni warf ihm ein grimmiges, wissendes Lächeln zu. Jelvus Grinch wusste Bescheid, und Erzgo Alegni wusste, dass er es wusste. Eine falsche Antwort, und er lag zweigeteilt auf dem Boden.
»Ja«, sagte er leise.
»Ja?«, wiederholte Erzgo Alegni laut.
»Ja, Fürst Alegni«, stellte Jelvus Grinch pflichtschuldig klar.
Arunika verließ die Versammlung umgehend, weil sie nicht in ein Privatgespräch mit Fürst Alegni und dessen mächtigen Verbündeten verwickelt werden wollte. Der verkrüppelte Hexer hatte ihr Teufelchen gefoltert und viel – zu viel! – über sie in Erfahrung gebracht, das wusste der rothaarige Sukkubus.
Zügig lief sie durch die Straßen von Niewinter und sah sich immer wieder um, um sicherzugehen, dass niemand ihr folgte. Sicherheitshalber bog sie schließlich in eine düstere kleine Sackgasse ein, an deren Ende sie im Schutz der Dunkelheit Fledermausflügel ausbreitete und auf den nächsten First emporflog. Von dort aus bewegte sie sich von Dach zu Dach.
Im Dunkel neben einem großen Gebäude am Nordostrand der Stadtmauer kam sie wieder herunter. Das Haus des Wissens war einst ein viel besuchter Tempel des Oghma gewesen, das einen gefragten Schatz an Büchern und Kunstwerken zur bewegten Geschichte der Schwertküste barg. Dann aber hatte die Katastrophe all dies unter Lava und Asche begraben und die ehrwürdige Bibliothek in ein Flüchtlingslager verwandelt. Dieser Übergang war nicht gut gegangen, und Bruder Anthus, der Verantwortliche für diese Entscheidungen, hatte versagt. Inzwischen war er nur noch selten hier anzutreffen. Wann immer seine Pflichten es ihm gestatteten, zog er sich in ein abgelegenes, baufälliges Häuschen auf der anderen Seite der Stadt zurück.
Arunika sah sich kurz um, ehe sie durch eine wenig benutzte Seitentür eintrat. Dann wartete sie in dem dunklen Raum.
Etwas später tauchte Bruder Anthus auf. Er trug eine brennende Kerze und ging zu dem großen Leuchter neben dem Altar im vorderen Teil des Raumes.
»Wenn ich gewusst hätte, dass du auf dem Rückweg einmal um die ganze Stadt läufst, hätte ich zwischendurch noch zu Abend gegessen«, bemerkte Arunika.
Bruder Anthus wurde kaum langsamer, als wolle er beweisen, dass ihre Anwesenheit ihn nicht überraschte. Warum auch? Immerhin war es keine unwichtige Versammlung gewesen. In aller Ruhe zündete er die Arme des Leuchters an, bis der Raum in ein sanftes Licht getaucht war. Erst dann wandte er sich Arunika zu.
»Du wusstest, dass es so kommen würde«, sagte er.
»Ich bin nicht davon ausgegangen, dass Erzgo Alegni der Stadt aus reiner Selbstlosigkeit beisteht, das stimmt.«
»Er hat rasch gehandelt«, erwiderte Bruder Anthus. »Schneller, als ich erwartet hatte.«
»Er glaubt, die Tayer sind führungslos. Wenn das zutrifft, werden sie bald keine Gefahr mehr darstellen. Wenn er jetzt seine Machtposition sichert, kann er jederzeit auf Szass Tam verweisen, wenn jemand gegen ihn aufbegehrt.« Sie neigte den Kopf zur Seite, lächelte unschuldig und fragte: »Sind die Tayer führungslos?«
»Sylora Salm ist tot.«
»Das weiß ich!«
Bruder Anthus holte tief Luft und setzte sich gegenüber von Arunika auf eine Bank. »Valindra Schattenmantel ist nicht zu unterschätzen«, erklärte er.
»Solange sich der Lich mit seinem eigenen Geplapper nicht noch irrer macht«, sagte Arunika.
Bruder Anthus nickte, doch ihm schien unbehaglich zumute zu sein, wie Arunika registrierte.
»Der Botschafter hat ihr sehr
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