Charons Klaue
Stadt hatten gerade über Grinchs Position in der neuen Aufgabenverteilung gesprochen. Dabei hatte der Nesser-Fürst erwähnt, dass Jelvus Grinch sich gut als Kommandant der Garnison eignen würde, eine Rolle, die Grinch ohnehin schon seit Jahren innehatte.
»Der Weißen Garde?«, wiederholte irgendjemand und sprach damit die Frage aus, die offenbar vielen auf der Zunge lag.
Erzgo Alegni stand langsam auf, straffte dabei seine eindrucksvollen Muskeln und rollte die Schultern nach hinten, so dass alle seinen mächtigen Brustkorb bewundern konnten. Er ließ sich Zeit, damit jeder Schritt seiner Stiefel auf den Dielen gut zu hören war, während er langsam nach vorne lief. Selbst der breit gebaute Jelvus Grinch wirkte neben dem dominanten Tiefling-Krieger eher kläglich. Alegnis Haltung, seine schwarze, nietenbesetzte Lederrüstung und der fließende Umhang, der alle an seinen Adelsstand erinnerte, trugen zu diesem imposanten Eindruck ebenso bei wie das große rote Schwert, das er blank an der linken Hüfte trug. Das blutrote Metall bildete einen scharfen Kontrast zu der schwarzen Rüstung, und als Alegni die nackte Linke auf den Knauf legte, erschien das Schwert eher wie eine Verlängerung seiner roten Tieflingshaut als wie ein separater Gegenstand. Es unterstrich das Glühen in Alegnis roten Augen, die daran erinnerten, dass er zur Hälfte ein Teufel war. Ja, die rote Klinge … eine Waffe, die einen Erdkoloss durchbohrt hatte, der in Niewinter auf der Straße sein Leben lassen musste – unter dem Jubel der staunenden Bürger, von denen viele auch jetzt anwesend waren.
»Was ist die Weiße Garde?«, wagte Jelvus Grinch zu fragen.
»Die Stadtwache«, erklärte der Tiefling. »Ich halte das für einen passenden Namen.«
»Erster Bürger …«, setzte Jelvus Grinch an, denn diesen Ehrentitel hatten sie Alegni verliehen.
»Nennt mich nicht so«, unterbrach ihn Alegni, dessen Stimme sich bei diesen Worten deutlich veränderte, so dass nicht wenigen der Anwesenden, einschließlich Jelvus Grinch, unbehaglich zumute wurde.
»Die Weiße Garde«, sagte Alegni lauter, wobei er sich wieder der Versammlung zuwandte. »Das ist sehr passend, da Niewinter inzwischen natürlich zwei Garnisonen hat. Die Weiße Garde der Bürger«, erklärte er Jelvus Grinch und den anderen, »und meine eigene.«
»Mit dem Namen …?«, hakte Jelvus Grinch nach.
Alegni überlegte einen Augenblick, ehe er antwortete: »Die Schattengarde. Ja, das ist gut. Dir wird also die Weiße Garde unterstehen.«
Er verhandelte nicht mit ihnen, sondern diktierte vielmehr die Bedingungen, was keinem im Raum entging.
»Und du kommandierst die Schattengarde?«
Alegni lachte nur. »Dafür habe ich meine Hauptmänner.«
»Womit du freie Hand hast …?«, sagte eine rothaarige Frau, die von den Leuten als die Wächterin des Waldes bezeichnet wurde.
Alegni erkannte ihre Stimme und sah ihr ins Gesicht. »Meine liebe Arunika«, sagte er.
»Womit du freie Hand hast, dich zum Fürsten auszurufen«, stellte Arunika fest.
Als Alegni nicht gleich widersprach, brach im ganzen Raum Geflüster aus. Höhnisches Lachen und scharfzüngige Beschwerden waren zu hören.
»Wir haben einen großen Sieg errungen!«, erhob Alegni dröhnend die Stimme, womit er alle zum Schweigen brachte. »Sylora Salm ist tot. Die Festung, die sie im Wald von Niewinter erbaut hat, zerfällt, denn die Magie lässt nach. Selbst der Todesring ist stark geschwächt.«
Er brach abrupt ab, damit sie diese unerwartete Neuigkeit, die er bisher für sich behalten hatte, verdauen konnten. Zwischenzeitlich genoss er die Fassungslosigkeit der Anführer.
»Woher … weißt du das?«, stammelte Jelvus Grinch schließlich.
Erzgo Alegni sah ihn an, als wäre diese Frage absurd. »Die Gefahr ist zurückgegangen und wird bald vollends vorüber sein.« Alegni grinste breit. »Mein Werk.«
»Und jetzt beanspruchst du den Fürstentitel von Niewinter«, folgerte Arunika, und Erzgo Alegni lächelte ihr zu.
»Das geht aber nicht!«, rief ein Mann von hinten, und Alegnis Lächeln verschwand. Mehr als einer, auch der vorwitzige Sprecher, zog angesichts seines vernichtenden Blicks den Kopf ein.
Dennoch meldete sich nun ein anderer zu Wort. »Dir fehlt die Krone von Niewinter! Ohne die Krone von Niewinter kannst du nicht Fürst von Niewinter sein!«
»Und wo, bitte schön, ist diese Krone?«, erwiderte Alegni mit drohend erhobener Stimme.
Im ganzen Raum wurde gemurmelt, bis derjenige, der den Einwand erhoben
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