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Charons Klaue

Charons Klaue

Titel: Charons Klaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Salvatore
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war natürlich keine leichte Sache, denn Alegni war in der Stadt und wahrscheinlich von mächtigen Verbündeten umgeben, unter anderem Artemis Entreri.
    Als Drizzt im Laufe des Tages nicht von ihrer Seite gewichen war – ohne jedoch zu versprechen, sich ihr anzuschließen –, hatte Dahlia sich wieder in dieses sanfte, verführerische Geschöpf verwandelt, war mehr Frau und weniger Kriegerin geworden.
    Drizzt warf einen Blick auf den verschneiten Wald und lachte über sich selbst. Es spielte letztlich gar keine Rolle, ob Dahlia versuchte, ihn zu manipulieren. Lag das nicht stets im Wesen einer Beziehung? Hatte Bruenor nicht ihn und alle anderen manipuliert, als er nach der Schlacht mit Akar Kessell seinen eigenen »Tod« ermöglicht hatte, damit sie das Eiswindtal verlassen und nach Mithril-Halle suchen konnten? Und hatte Drizzt selbst nicht Bruenor manipuliert, bis dieser den Vertrag von Garumns Schlucht unterzeichnet hatte?
    Der Drow lachte unwillkürlich, als die Erinnerungen zurückkehrten. Er erinnerte sich an das Drama an Bruenors Totenbett damals im Eiswindtal, als der Zwerg seinen Herzenswunsch geäußert hatte. Keuchend und hustend war der schlaue Bruenor scheinbar dem Tode nahe gewesen und vor Drizzts Augen immer mehr verfallen, bis der Drow gelobt hatte, dass sie ausziehen und Mithril-Halle suchen würden. Da war Bruenor gestiefelt und gespornt vom Bett gesprungen.
    Was für ein Schauspieler! Aber auch was für eine Manipulation!
    Dass Dahlia im Zusammenhang mit ihrer Beziehung mit ihm spielte, war demnach nicht so wichtig, sagte sich Drizzt. Er kannte die Wahrheit, und in dieser Wahrheit lag die unumstößliche Tatsache verborgen, dass er nur von ihr manipuliert werden konnte, weil er es zuließ. Es war nicht nur die Lust, obwohl Dahlia zweifellos sehr attraktiv war. Doch ihre Anziehungskraft ging weit über seine körperlichen Bedürfnisse hinaus. Er wollte sie verstehen. Er hatte das Gefühl, mehr über sich zu erfahren, wenn er Dahlia besser kennenlernte. Wie sie die Welt betrachtete, war ihm fremd, eine ganz andere Sichtweise, und die versprach eine Erweiterung seines Horizonts. Vielleicht fühlte er sich aus demselben Grund zu Dahlia hingezogen, aus dem er sich zu Artemis Entreri hingezogen fühlte – weil er den Mann begreifen wollte, auch wenn sie nicht miteinander reisten. Denn beide, Dahlia und Entreri, hatten einen eigenen Ehrenkodex, selbst wenn dieser in Drizzts Augen fehlerhaft war. Keiner von beiden erwachte am Morgen mit dem Wunsch, Leid und Chaos zu säen. Dahlia hatte das bewiesen, als sie nicht in der Lage gewesen war, auf Befehl ihres Herrn den Urelementar zu entfesseln.
    Wollte er sie also heilen? Drizzt dachte nach. Glaubte er in seinem tiefsten Innern womöglich, dass er Artemis Entreri reinwaschen und Dahlia auf den Pfad der Tugend zurückführen könnte?
    Wieder sah er kurz zu Dahlia hinüber. Er konnte seine Arroganz nicht abstreiten. Sein Wunsch, andere der Finsternis zu entreißen, hatte Anteil daran, dass der Drow in den letzten Jahrzehnten so häufig über Artemis Entreri nachgedacht hatte, fast so oft wie über Wulfgar.
    Bei Dahlia war die Sache deutlich komplizierter, denn zu ihr fühlte er sich tatsächlich auf eine Weise hingezogen, die er Entreri oder Wulfgar gegenüber nie erlebt hatte. Das konnte er nicht bestreiten. Wie oft er sich auch sagte, dass er sich mit der gefährlichen Elfe nicht abgeben sollte – seine Logik kam gegen ihren Anblick nicht an, besonders wenn sie ihr sanftes Gesicht aufsetzte.
    Überrascht straffte er sich, als die Elfe ihm einen Arm um den Hals legte. Dahlia schob ihr Kinn auf seine Schulter und küsste ihn aufs Ohr. »Ein wenig Wärme, bevor wir uns in den kalten Schnee wagen?«
    Drizzt lächelte. Und sein Lächeln wurde noch breiter, als Dahlia hinzufügte: »Und dann ziehen wir los und töten ihn.«
    Genau.
    Er dachte an Bruenor damals auf dem Totenbett im Eiswindtal und daran, dass seine Freundschaft mit dem alten Betrüger über hundert Jahre gewährt hatte.
    Genau.

2
    Der Fürst von Niewinter
    »Hauptmann der Weißen Garde«, stellte Erzgo Alegni richtig, was dem Tiefling-Heerführer überraschte Blicke eintrug. Alegni hockte an einem kleinen Tisch an der Wand des Gasthauses, das ihnen als Versammlungsort diente. Er saß gegenüber dem Kamin, so weit abseits des Feuers, wie es in diesem Raum überhaupt nur möglich war, und er hatte das Fenster neben sich aufgerissen.
    Jelvus Grinch sah ihn neugierig an. Die führenden Köpfe der

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