Charons Klaue
überrascht, und zwar eher darüber, wie genau die Baenres diese Expedition mitgeplant hatten, als darüber, dass einer der besten Waffenschmiede von Menzoberranzan unbemerkt unter seinem Gefolge gereist war. Plötzlich zweifelte der Zauberspinner an der ganzen Expedition, sogar daran, dass diese auf Haus Xorlarrin zurückging. Wie viel Einfluss hatte Haus Baenre insgeheim dabei ausgeübt?
»Ihr werdet verstehen, dass dieser Teil der Abmachung mich teuer zu stehen kommen wird«, sagte Ravel, nachdem er sich wieder voll im Griff hatte. »Bei Jearth, meine ich.«
»Ihr werdet verstehen, dass mir das egal ist«, lautete die Antwort, die eines Baenre zweifellos würdig war.
Die Höhle brodelte vor Energie, und aus der länglichen Grube, die den Raum beherrschte, stieg wabernde Hitze auf, die jedoch von dem Dunst in der Luft und dem tief hängenden Nebel, der sich an die Steine klammerte, überlagert wurde.
Ravel und die anderen, die mit ihm am Rand der Grube standen, bestaunten die unbändige Macht des Ungetüms dort unten: eine schäumende, sich windende, urtümliche Macht, die Steine zu Lava zermalmte und dickflüssige Schlacke nach oben spie.
Nicht weniger eindrucksvoll jedoch war das Gefängnis dieses Vulkanmonsters, ein dichter Zyklon aus Wasserkraft, der sich entlang der Wände vom oberen Rand der Grube bis ganz nach unten schraubte. Außerdem rann unablässig Wasser von der hohen Decke, zwar nur in dünnen Fäden, doch es diente zweifellos dazu, das Gleichgewicht in diesem Raum intakt zu halten.
»Elementare«, flüsterte Brack’thal Xorlarrin. »Scharenweise.«
Ravel sah seinen älteren Bruder skeptisch an, wollte seine Worte aber nicht hinterfragen. Immerhin hatte Brack’thal einst die alte Schule der Magie durchlaufen und sich insbesondere mit der Herbeirufung genau solcher Wesen befasst. Mit der Zauberpest und dem Zerfall von Mystras Gewebe war seine Macht erheblich zurückgegangen, aber früher war er häufig mit einem Begleiter aus Wasser oder Feuer durch Menzoberranzan geschritten und hatte dabei Spuren aus Tropfen oder Rauch hinterlassen.
Der jüngere Zauberspinner schaute seine Schwester an, und Berellip stimmte Brack’thals Worten scheinbar ungerührt mit einem Nicken zu. Erst jetzt ging Ravel endgültig auf, warum Oberin Zeerith darauf bestanden hatte, dass Brack’thal an der Expedition teilnahm, und warum Berellip ihn von seinen anderen Pflichten abberufen hatte, sobald die Goblins mit dem Freiräumen des Tunnels begannen.
Wie bei seinem jüngsten Gespräch mit Tiago kam es dem jungen Zauberspinner so vor, als stünde er plötzlich auf losem Sand, anstatt auf festem Fels. Offenbar hatten bei dieser Expedition – seiner Expedition – zahlreiche Leute hinter seinem Rücken eigene Pläne verfolgt. Warum hatte Oberin Zeerith ihm nicht einfach erklärt, warum sie Brack’thal für einen wertvollen Teilnehmer hielt? Warum hatte Tiago Baenre ihm nicht einfach mitgeteilt, dass Gol’fanin mitkam? Dann hätte der Schmied sich gemäß seinem Rang offen unter ihnen bewegen können, anstatt sich als einfacher Soldat behandeln zu lassen.
Ravel blickte in die Grube und durch den tosenden Zyklon bis in das feurige Auge des göttlichen Ungeheuers. Er lachte über seine eigene Dummheit. Warum? Sie waren nun einmal Drow, und Wissen war Macht, und Macht teilte man nicht – niemals! – freiwillig.
»Sie sind fertig«, hörte er Berellip sagen, und als er aufblickte, wurde ihm bewusst, dass sie ihn angesprochen hatte. Sie lenkte seinen Blick nach rechts, wo einmal eine Steinbrücke gestanden hatte. Mit Planken aus Riesenpilzen, die sie aus dem tieferen Unterreich herangeschleppt hatten, hatten die Goblins und Orks inzwischen eine neue Brücke über die Grube gezimmert, die aus nur vier langen, dicken Stücken bestand, die so miteinander verbunden waren, dass die Brücke in der Mitte dreifach verstärkt war und an jedem Ende einfach auflag.
Saribel und Jearth hatten den Bau beaufsichtigt, und jetzt schickten die beiden mehrere schwere Grottenschrate auf den Übergang, um dessen Festigkeit zu prüfen. Er bog sich nicht einmal durch.
Tiago Baenre und sein angeblicher Diener, der in Wahrheit Gol’fanin war, gingen mit den Xorlarrins hinüber zu dem niedrigeren Bogen und der zweiten, deutlich kleineren Höhle, wo ein einzelner großer Hebel aus dem Boden ragte. Auf dem Griff waren Blutflecken zu sehen.
»Die sind nicht so alt«, stellte Saribel fest, nachdem sie die Flecken mit einem einfachen
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