Charons Klaue
eine ganze Menge.
Drizzt beugte den Arm und streckte ihn nach oben, als er zu Entreris Tür ging. Die Heilsalbe und der Besuch der Klerikerin hatten zweifellos geholfen.
Zumindest körperlich.
In der unversehrten Hand hielt der Drow noch immer die Onyxfigur, und innerlich rief er weiterhin nach seiner Freundin, die nicht antwortete.
Entreris Tür schwang auf, bevor der Drow dort war, und die rothaarige Arunika kam heraus. Sie blieb stehen, warf Drizzt ein entwaffnendes Lächeln zu und zwinkerte dann Dahlia zu, die neben ihm stand.
Drizzt registrierte Dahlias starren Blick mit fragender Miene.
»Sie ist merkwürdig«, sagte Dahlia.
»Ich glaube, sie spielt in Niewinter eine wichtige Rolle.«
Dahlia zuckte mit den Schultern, als wäre das unwichtig. Sie schob sich an Drizzt vorbei in Entreris Zimmer.
Der Meuchelmörder stand am Tisch, war bis zur Taille nackt und machte einen erschöpften Eindruck. Er schenkte sich gerade einen guten Brandy ein. Das hier war Alegnis Zimmer gewesen, als dieser sich zum Herrn über Niewinter aufgeschwungen hatte, und der Tiefling hatte es mit allerlei Annehmlichkeiten ausgestattet.
Dahlia trat vor Drizzt ein, und ihr plötzliches Stehenbleiben versperrte dem Drow den Weg. Sie sah der verschwindenden Arunika nach und wandte sich dann stirnrunzelnd Entreri zu.
Drizzt seufzte.
»Du bist … geheilt?«, fragte die Elfe. Ihre Stimme triefte vor Spott.
»Bereit zum Aufbruch«, antwortete Entreri und kippte den Brandy herunter.
Drizzt ging zum Tisch und setzte sich. Entreri schenkte nach und schob Drizzt die Flasche hin. Er starrte ihn durchdringend an.
Das überraschte Drizzt einen Augenblick, bis ihm klar wurde, dass Entreri nicht ihn ansah, sondern das große Schwert, das in einer Hülle, die er von einem Ledermacher aus Niewinter erhalten hatte, quer über seinem Rücken hing.
Drizzt hielt die Flasche auf und ließ sie stehen, aber Dahlia hockte sich bereitwillig neben ihn, schnappte sich die Flasche und nahm selbst ein Glas.
»Bereit zum Aufbruch?«, wiederholte sie. »Und welchen Weg will Artemis Entreri einschlagen?«
Entreri trank einen Schluck Brandy und nickte zum Schwert hin.
»Gauntlgrym?«, fragte Dahlia.
»Natürlich.«
»Du willst frei sein?«
»Ich werde tot sein, schätze ich«, sagte Entreri. »Egal.«
Dahlia schüttelte den Kopf. »Woher willst du das wissen?«
»Ich bin an das Schwert gebunden«, antwortete Entreri. »Meine Langlebigkeit stammt von dem Schwert. Nur dadurch bin ich ewig jung … oder zumindest nicht uralt. Das weiß ich schon sehr, sehr lange.«
»Und dennoch willst du es zerstören?«, fragte Dahlia.
»Ich werde erst Frieden finden, wenn Charons Klaue nicht mehr existiert.«
»Du wirst tot sein!«
»Besser als versklavt«, sagte Entreri. »Mein Tod ist schon lange überfällig.« Er sah von Dahlia zu Drizzt hinüber und lächelte böse. »Da wirst du sicher zustimmen.«
Drizzt antwortete nicht. Er wusste nicht, welches Ende ihm lieber wäre. Entreri verband ihn mit einer Vergangenheit, die er sehr vermisste. Allein seine Nähe rief ein Gefühl inneren Friedens hervor, als wären seine Freunde da draußen und warteten, dass er nach Hause kam.
Aber reichte das aus? Er kannte Entreris blutige Vergangenheit und ging davon aus, dass dieser Mann auch in Zukunft seinen mörderischen Ruf verteidigen würde.
Es war dasselbe Dilemma, vor dem Drizzt bei ihm schon mehrfach gestanden hatte, zum Beispiel damals, als sie Seite an Seite aus dem Unterreich gekommen waren. Mehr als einmal hätte Drizzt Entreri töten können, und er war sich nie sicher gewesen, dass es richtig gewesen war, seine Säbel zurückzuhalten. Was war mit Entreris Opfern, falls es nach Drizzts Gnadenakten noch weitere gegeben hatte? Würden sie Drizzts ewigen Optimismus und seine törichten Hoffnungen auf Besserung zu schätzen wissen?
»Wir wissen nicht, ob der Urelementar es zerstören wird«, warnte Dahlia.
»Immerhin wissen wir, dass es von dort niemand zurückholen kann«, erwiderte Drizzt.
»Intelligente Waffen sorgen schon dafür, dass man sie findet und benutzt«, sagte Dahlia.
»Der Urelementar wird es zerstören«, erklärte Entreri überzeugt. »Ich fühle seine Angst.«
»Dann sollten wir so schnell wie möglich gehen«, sagte Drizzt.
»Hast du es so eilig, ihn umzubringen?«, fuhr Dahlia den Drow scharf an.
Der Drow wich zurück. Auf diese Reaktion der Elfe war er nicht gefasst gewesen.
»Ich schon«, sagte Entreri. Beide sahen ihn an.
Entreri
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