Charons Klaue
Charons Klaue in der Hand. Die Waffe hatte die Wahl: das Feuer oder Entreri.
Sofort beruhigte sie sich.
Drizzt schob sie wieder in die Scheide. Kopfschüttelnd sah er seine Gefährten an und wäre fast in die Knie gegangen, so schwach fühlte er sich plötzlich.
»Bist du irre?«, fauchte Entreri ihn an.
»Warum hast du das getan?«, fragte Dahlia.
»Das Schwert fürchtet unser Vorhaben«, erklärte Drizzt und sah den Meuchelmörder abschätzig an. »Es würde lieber dir gehorchen, als dem Urelementar in den Rachen zu geraten.«
»Du kannst es beherrschen«, flüsterte Dahlia.
Entreri beachtete sie nicht. Er fixierte Drizzt.
»Wie gesagt. Es ist deine Entscheidung«, sagte der Drow.
»Und ihr würdet mir trauen, wenn ich das Schwert in der Hand hätte?«, fragte Entreri.
»Nein«, sagte Drizzt, noch während Dahlia bejahen wollte.
Entreri sah den Drow sehr lange an. »Nimm du es«, sagte er schließlich.
»Das kann ich nicht.«
»Weil du weißt, dass es sich gegen dich wenden würde«, stellte Entreri fest. »Dir fehlt der Handschuh, und du kannst nicht endlos eine derartige Disziplin aufbringen. Und dieses Schwert kennt keine Gnade, das kann ich dir versichern.«
»Dann kannst du es auch nicht benutzen«, erwiderte der Drow.
Entreri wollte wieder aus der Flasche trinken, lachte freudlos und holte ein neues Glas. Diesmal goss er sich nur eine bescheidene Menge ein. Er stellte die Flasche weg, hob das Glas und sagte: »Auf nach Gauntlgrym.«
Drizzt nickte grimmig.
Dahlias Lachen klang, als würde sie nach Luft schnappen.
Als sie auf den Gang im Obergeschoss hinaustraten und zur Treppe kamen, hörten sie den wachsenden Jubel auf den Straßen, noch ehe sie am Ausgang waren.
»Wir sind Helden«, grinste Dahlia.
»Einfach lächerlich«, erwiderte Entreri prompt.
Drizzt betrachtete ihn. Er suchte nach einem Hinweis, dass Entreri seinen Ruhm mehr genoss, als er zeigen wollte, fand aber nichts dergleichen. Wenn Drizzt Entreri mit dem Mann verglich, der er einst gewesen war, sollte ihn das nicht überraschen.
Weder Drizzt noch der Meuchelmörder machten sich viel aus Lobeshymnen, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Drizzt scherte sich nicht darum, weil ihm bewusst war, dass die Gemeinschaft stärker war als der Einzelne. Zugleich nahm er die Hochrufe hin, weil sie die Gemeinschaft stärkten.
Entreri hingegen war es egal, weil ihm alles egal war, ob Applaus oder Hohn oder was auch immer seinen Platz in der Welt und die Ansichten anderer betraf. Es war ihm einfach gleichgültig, und deshalb rief die Begeisterung, die ihnen beim Verlassen des Wirtshauses entgegenbrandete, bei ihm nur eine finstere Miene hervor. Und Drizzt wusste, dass dieses Gefühl ehrlich war.
Dahlia hingegen wirkte durchaus erfreut.
Drizzt wusste nicht, was er davon halten sollte. Sie hatte sich gerade an einem Tiefling gerächt – eine lang ersehnte Rache –, der anscheinend einen Großteil ihres Lebens verdüstert hatte. Wie tief dieser Hass in der Elfe wurzelte, konnte Drizzt kaum nachvollziehen, aber dieser Kampf hatte ihr wirklich viel bedeutet, und zwar auf einer ganz elementaren Ebene. Jetzt schienen sogar ihre Befürchtungen wegen Entreris drohendem Tod vor der feiernden Menge zu verblassen.
Und die Bürger von Niewinter zeigten sich wahrlich ausgelassen. Fast alle Siedler waren in die Straßen um das Gasthaus geströmt, und ganz vorne standen Genevieve und der Mann, der ihr geholfen hatte, die verletzte Frau aus der Kanalisation zu schleppen.
Bei diesem Anblick war Drizzt ehrlich erleichtert. Der Sieg über Alegni und der Rückzug der Shadovar waren für die Zukunft von Niewinter zwar entscheidender, aber dass der Sieg mit den drei befreiten Sklaven des Abolethen ein Gesicht bekam, war für Drizzt Do’Urden eine Wohltat.
Die Leute stießen ihre Waffen und die Fäuste trotzig in die Luft und feierten die wiedergewonnene Freiheit. Angesichts der zurückliegenden Ereignisse in der Stadt verstand Drizzt ihr Glück und wusste es zu schätzen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit war er mit Bruenor nach Niewinter gekommen, noch bevor die Anwesenheit der Tayer und der Nesserer bekannt war. Damals hatten die Bürger unter den Angriffen jener seltsamen, verschrumpelten Zombies gelitten, den Opfern des Vulkanausbruchs. Sie hatten nicht gewusst, woher diese Geißel stammte, nichts von dem Todesring und den zerstörerischen Kräften hinter diesen beunruhigenden und gefährlichen Ereignissen.
Jetzt aber war dieses Spiel
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