Chasm City
Gegenständen umgehängt, die wie religiöse Reliquien aussahen, tatsächlich aber Implantate waren, die man den Trägern entfernt hatte, und die nun als Symbol früheren Reichtums zur Schau gestellt wurden. Obwohl scheinbar ein breites Spektrum von Altersgruppen vertreten war, bemerkte ich niemanden, der wirklich alt ausgesehen hätte. Vielleicht waren die Greise zu gebrechlich, um sich auf den Basar zu wagen, aber ich hatte auch nicht vergessen, was Orcagna über den Stand der Langlebigkeitsbehandlungen auf anderen Welten gesagt hatte. Danach war es durchaus möglich, dass einige von den Leuten hier zwei- oder gar dreihundert Jahre alt waren; belastet mit Erinnerungen, die bis zu Marco Ferris und in die Amerikano-Ära zurückreichten. In diesem Fall müssten sie die seltsamsten Zeiten erlebt haben… aber die jüngste Verwandlung ihrer Stadt oder der Zusammenbruch einer Gesellschaft, die in ihrer Langlebigkeit und ihrem Luxus unerschütterlich erschienen war, ließen sich wohl kaum übertreffen. Kein Wunder, dass so viele dieser Menschen so traurig aussahen, als wüssten sie, dass die alten Zeiten niemals wiederkommen würden – mochte sich ihre Lage auch von Tag zu Tag verbessern. Diese allgegenwärtige Melancholie war unwillkürlich ansteckend.
Ich machte mich auf den Weg zurück zu Dominikas Zelt, doch irgendwann fragte ich mich, warum ich das eigentlich tat.
Ich hatte einige Fragen an Dominika, aber die konnte ich ebenso gut einem ihrer Konkurrenten stellen. Früher oder später musste ich vielleicht mit allen sprechen. Meine einzige Verbindung zu Dominika war Quirrenbach… und auch wenn ich ihn irgendwann in meiner Nähe geduldet hatte, war ich von Anfang an entschlossen gewesen, ihn mir früher oder später vom Hals zu schaffen. Jetzt brauchte ich nur wegzugehen, brauchte nur den Bahnhof zu verlassen und hatte gute Chancen, ihn niemals wiederzusehen.
Ich drängte mich durch bis auf die andere Seite des Basars.
An Stelle der gegenüberliegenden Wand gab es nur eine Öffnung, durch die man hinter einem Schleier aus schmutziggrauem Regenwasser, das unentwegt über die Seite des Gebäudes rann, auf die unteren Regionen der Stadt sehen konnte. Hier stand eine bunte Reihe von Rikschas: aufrechte Kästen, die auf zwei breiten Rädern balancierten. Einige wurden von Dampfmaschinen oder tuckernden Methangasmotoren angetrieben. Ihre Fahrer lümmelten träge herum und warteten auf Fahrgäste. Andere wurden mit Pedalkraft bewegt, und wieder andere schienen aus alten Palankinen gemacht zu sein. Hinter den Rikschas standen die nobleren Verkehrsmittel: zwei niedrige Flugwägen auf Kufen, ähnlich den Volantoren, die ich von Sky’s Edge kannte, und drei Flugzeuge, die aussahen wie Helikopter mit eingeklappten Rotoren. In eins von den letzteren wurde gerade ein Palankin verladen. Die Arbeiter mussten ihn so demütigend stark kippen, um ihn durch die Tür zu bringen, dass mir nicht klar war, ob es sich hier um eine einfache Taxifahrt handelte oder um eine Entführung.
Obwohl ich mir einen von den Volantoren hätte leisten können, sahen die Rikschas am vielversprechendsten aus. Wenn ich schon kein bestimmtes Ziel im Auge hatte, dann konnte ich damit zumindest die Atmosphäre in diesem Teil der Stadt auf mich wirken lassen.
Den Blick entschlossen nach vorn gerichtet, setzte ich mich in Bewegung und drängte mich durch die Menge.
Doch dann blieb ich auf halbem Wege stehen, machte kehrt und marschierte zu Dominika zurück.
»Ist Mister Quirrenbach schon fertig?«, fragte ich Tom. Er hatte wieder zur Sitar-Musik getanzt und war sichtlich überrascht, dass jemand ohne Not Dominikas Zelt betrat.
»Er nicht fertig, Mister – zehn Minuten noch. Du haben Geld?«
Ich hatte keine Ahnung, was die Exzisionen bei Quirrenbach kosten würden, schätzte aber, dass die Summe, die er für die Empirika von Grand Teton erhalten hatte, gerade ausreichen müsste. Ich trennte die Noten von meinen und legte sie auf den Tisch.
»Nicht genug, Mister. Madame Dominika wollen eins mehr.«
Widerwillig schälte ich einen von meinen kleineren Geldscheinen ab und legte ihn auf Quirrenbachs Stapel. »Und jetzt ist es genug«, bemerkte ich. »Mister Quirrenbach ist ein Freund von mir, ich will also nicht hören, dass du von ihm noch einmal Geld verlangst, wenn er rauskommt, sonst sehen wir uns wieder.«
»Ist gut, Mister. Ist gut.«
Als der Junge durch die Trennwand in den dahinterliegenden Raum schlüpfte, konnte ich ganz kurz die schwebende
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