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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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schüttelte den Kopf, konnte es kaum fassen. »Alle Schläfer, die wir an Bord haben?«
    »Ja. Mit ein paar unwesentlichen Ausnahmen – Menschen, die sie aus ethischen oder aus medizinischen Gründen ablehnten. Die meisten unterzogen sich der Behandlung, kurz bevor sie an Bord kamen.« Wieder hielt sein Vater inne. »Das ist das größte und einzige Geheimnis meines Lebens, Sky. Ich habe es immer gewusst – jedenfalls seit mein Vater es mir sagte. Und mir ist es damals auch nicht leicht gefallen, es zu akzeptieren, glaub mir.«
    »Wie konntest du so ein Geheimnis bewahren?«
    Sein Vater zuckte ganz leicht die Achseln. »Es war Teil meiner Aufgabe.«
    »Sag das nicht. Das ist keine Entschuldigung. Man hat uns betrogen, oder etwa nicht?«
    »Das kommt darauf an. Zugegeben, man weihte die Besatzung in das Geheimnis nicht ein. Aber das halte ich eher für eine Gnade.«
    »Wie kannst du das sagen?«
    »Stell dir vor, wir wären unsterblich gewesen. Wir hätten einhundertfünfzig Jahre Gefangenschaft auf diesem Schiff ertragen müssen. Das hätte uns langsam in den Wahnsinn getrieben. Und das hatte man befürchtet. Es war besser, die Besatzung ein normales Leben führen und danach eine andere Generation die Zügel in die Hand nehmen zu lassen.«
    »Das nennst du eine Gnade?«
    »Warum nicht? Die meisten von uns wissen es doch nicht besser, Sky. O ja, wir dienen den Schläfern, aber wir sind uns bewusst, dass nicht alle von ihnen gesund erwachen werden, wenn wir Journey’s End erreichen, und deshalb sind wir nicht allzu neidisch auf sie. Außerdem müssen wir auch an uns selbst denken. Wir führen das Schiff nicht nur für die Schläfer, wir führen es auch für uns.«
    »Gewiss. Das ist nicht mehr als recht und billig. Aber man bekommt doch eine etwas andere Einstellung, wenn man weiß, dass sie uns das Geheimnis der Unsterblichkeit vorenthalten haben, das kannst du nicht leugnen.«
    »Mag sein. Deshalb war ich immer sehr darauf bedacht, dieses Geheimnis zu wahren.«
    »Aber mir hast du es eben verraten.«
    »Du wolltest doch wissen, ob die Geschichte des Saboteurs ein Körnchen Wahrheit enthielt, nicht wahr? Nun weißt du es.«
    Titus’ Gesicht wirkte für einen Moment so friedlich, als sei eine große Last von ihm genommen worden. Sky dachte schon, sein Vater sei unbemerkt von ihm gegangen, doch gleich darauf bewegte Titus die Lider, befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen und sprach weiter. Noch immer kostete ihn jedes Wort eine ungeheure Anstrengung.
    »Ich hatte noch einen zweiten Grund, Sky… doch das fällt mir sehr schwer. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, es dir zu sagen.«
    »Warum lässt du das nicht mich beurteilen?«
    »Nun gut. Warum sollst du es nicht jetzt erfahren? Es gab schon unzählige Gelegenheiten, zu denen ich es dir beinahe gesagt hätte, aber ich hatte nie so recht den Mut dazu. Man sagt ja, ein wenig Wissen sei gefährlich.«
    »Und wovon handelt dieses wenige Wissen?«
    »Von deiner Stellung.« Titus bat noch einmal um einen Schluck Wasser. Sky dachte an das Wasser im Glas; an die Moleküle, die zwischen die Lippen seines Vaters glitten. Letztlich wurde jeder Tropfen auf dem Schiff wiederaufbereitet und immer von neuem getrunken. Im interstellaren Raum konnte man sich keine Verschwendung leisten. Irgendwann in Monaten oder Jahren würde Sky etwas von dem Wasser trinken, das jetzt den Durst seines Vaters stillte.
    »Mein Status?«
    »Du bist leider nicht mein Sohn.« Titus sah Sky scharf an, als erwarte er, dass der unter dieser Eröffnung zusammenbräche. »So, jetzt ist es heraus. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Jetzt musst du auch den Rest erfahren.«
    Vielleicht ging es schneller mit ihm bergab, als die Maschinen anzeigten, dachte Sky. Vielleicht glitt er unaufhaltsam hinein in den finsteren Schlund der Demenz, je mehr sein Blut vergiftet wurde und sein Gehirn nach Sauerstoff schrie.
    »Ich bin dein Sohn.«
    »Nein. Nein, das bist du nicht. Ich muss es wissen, Sky, denn ich habe dich aus dieser Kälteschlafkoje geholt.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Du warst einer von ihnen – eine von unseren Momios; einer unserer Schläfer.«
    Sky nickte. Das konnte er sofort akzeptieren. Eigentlich, dachte er, wäre Ungläubigkeit die normale Reaktion gewesen, vielleicht sogar Zorn, aber er spürte nichts dergleichen; nur ein tiefes, beruhigendes Gefühl, dass jetzt alles seine Richtigkeit hatte.
    »Wie alt war ich?«
    »Ein Säugling, nur wenige Tage alt, als du eingefroren wurdest. Außer dir gab

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