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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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neben sich, sie nickten stumm und freuten sich, dass er etwas, wogegen er sich so heftig gewehrt hatte, nun widerspruchslos als Tatsache akzeptieren musste. Er hatte seit jenem Gespräch im Zug kaum mehr an die Geschichte gedacht, doch jetzt zermarterte er sich das Gehirn, um zu rekapitulieren, was Norquinco gesagt hatte.
    »Die meisten Besatzungsmitglieder, die sich überhaupt darauf einlassen«, sagte er, »gehen davon aus, dass das sechste Schiff ausgestorben ist und nur als leeres Wrack hinter uns her treibt.«
    »Was lediglich beweist, dass hinter jedem Gerücht ein Körnchen Wahrheit steckt. Natürlich ist es dunkel – keine Lichter, nichts weist darauf hin, dass es mit Menschen besetzt ist, aber das könnte alles Täuschung sein. Vielleicht ist die Crew noch am Leben und steuert es ganz unauffällig. Wir haben natürlich keine Ahnung, wie es um ihren Gemütszustand bestellt ist, wir wissen ja immer noch nicht, was tatsächlich geschehen ist.«
    »Aber das wäre wünschenswert. Jetzt ganz besonders.« Sky zögerte, doch dann wagte er den Sprung ins Ungewisse. »Mit Rücksicht auf den Ernst der Lage und in Anbetracht dieser technischen Instruktionen von zu Hause – gibt es etwas, das ich über das sechste Schiff wissen sollte, irgendetwas, das uns helfen könnte, die richtige Entscheidung zu treffen?«
    Er war sehr erleichtert, als ihm der Captain die Frage nicht übel nahm. Er schüttelte nur den Kopf.
    »Sie haben alles erfahren, was ich weiß, Titus. Mehr ist wirklich nicht bekannt. Ich fürchte, die Gerüchte enthalten alle Informationen, die uns vorliegen.«
    »Mit einer Expedition könnte man Klarheit schaffen.«
    »Das sagen Sie mir immer wieder. Aber bedenken Sie die Risiken: Gewiss, das Schiff liegt gerade noch in Reichweite unserer Shuttles. Laut unserer letzten exakten Radarposition fliegt es etwa eine halbe Lichtsekunde hinter uns, wobei es früher einmal sehr viel näher gewesen sein muss. Noch einfacher wäre es, wenn wir dort Treibstoff fassen könnten. Aber vielleicht wollen sie keine Besucher? Seit mehr als einer Generation tun sie nun schon so, als würden sie nicht existieren. Durchaus möglich, dass sie ihre Tarnung nicht kampflos aufgeben wollen.«
    »Es sei denn, sie wären tot. Einige von unseren Leuten glauben, wir hätten sie angegriffen und dann aus den Archiven gelöscht.«
    Der Captain zuckte die Achseln. »Vielleicht war es ja tatsächlich so. Wenn man ein solches Verbrechen ungeschehen machen könnte, würde man es doch tun, meinen Sie nicht? Aber es könnte auch sein, dass einige von denen überlebt haben und sich nun ganz still verhalten, um uns in einer späteren Phase der Reise überrumpeln zu können.«
    »Sie meinen, diese Botschaft von zu Hause könnte sie aus der Deckung locken?«
    »Schon möglich. Falls die Botschaft sie ermutigt, an ihrem Antimaterietriebwerk herumzuspielen, aber in Wirklichkeit nur eine Falle ist…«
    »Dann stecken sie den halben Himmel in Brand.«
    Der Captain lachte leise, ein ekelhaft rasselndes Geräusch, und dann nickte er endlich doch ein. Der Rest des Fluges verlief ohne Zwischenfälle, aber Skys Gedanken überschlugen sich. Er konnte kaum verarbeiten, was er erfahren hatte. Immer wieder sagte er den gleichen Satz vor sich hin, und immer wieder war er wie eine Ohrfeige, eine Strafe für die Arroganz, mit der er Norquinco und den anderen entgegengetreten war. »Das sechste Schiff existiert. Das verdammte sechste Schiff existiert…«
    Das konnte der Faktor sein, der alles veränderte.

Achtzehn
    Sie brachten mich wieder in den Mulch zurück. Als ich zu mir kam, fuhr die Gondel durch Wind und Regen nach unten, und der Regen prasselte gegen die Fenster. Einen Augenblick lang glaubte ich, mit Captain Balcazar im Shuttle zu sitzen und durch das All zu dem Treffen an Bord des anderen Flottillenschiffs zu fliegen. Die Träume wurden allmählich intensiver, führten mich tiefer hinein in Skys Gedanken und waren schwerer abzuschütteln, wenn ich erwachte. Aber ich war allein mit Waverly in der Seilbahngondel.
    Das musste nicht unbedingt ein Fortschritt sein.
    »Wie fühlen Sie sich? Ich denke, ich habe Sie gut hinbekommen.«
    Er saß mir mit einer Pistole in der Hand gegenüber. Ich erinnerte mich, wie er mir die Sonde an den Kopf gedrückt hatte, und betastete meine Schläfe. Über dem rechten Ohr fand ich eine kahle, noch mit Blut verkrustete Stelle, und unter der Haut spürte ich eine harte Beule.
    Es tat höllisch weh.
    »Ich glaube, Sie brauchen

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