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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Boden münden sollte, war ein großes Loch.
    Er zeigte es mir. »Das Ding ist fast bis oben hin hohl, Bruder.«
    »Und das heißt?«, fragte Rodriguez. Er konnte zwar mit dem Jungtier umgehen, verstand aber nicht viel vom biologischen Zyklus der Hamadryaden.
    »Das heißt, dass das Nest leer ist«, sagte Cahuella. »Die Jungtiere sind bereits geschlüpft.«
    »Sie fressen sich durch die Mutter nach draußen«, erklärte ich. Wir wussten immer noch nicht, ob es bei den Hamadryaden verschiedene Geschlechter gab, es war also durchaus möglich, dass sie sich auch durch den Vater gefressen hatten – oder durch keinen von beiden. Wenn der Krieg erst vorbei war, konnten sich Tausende von Wissenschaftlern mit der Erforschung der Hamadryaden-Biologie ihre akademischen Sporen verdienen.
    »Wie groß wären die Jungen wohl gewesen?«, fragte Gitta.
    »So wie unser Jungtier«, sagte ich und trat mit dem Fuß gegen das Loch am Fuß der Spirale. »Vielleicht eine Spur kleiner. Jedenfalls möchte man ihnen nicht ohne schwere Artillerie über den Weg laufen.«
    »Ich dachte, sie wären zu langsam, um eine Gefahr darzustellen.«
    »Das sind die Präadulten«, sagte Dieterling. »Und selbst vor denen könnte man nicht unbedingt davonlaufen – nicht, wenn das Unterholz so dicht ist wie hier.«
    »Würden sie uns fressen wollen – ich meine, könnten sie uns überhaupt als Nahrung erkennen?«
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Dieterling. »Aber das ist nicht unbedingt ein Trost, wenn so ein Ungeheuer über einen weg kriecht.«
    »Nicht übertreiben«, mahnte Cahuella und legte den Arm um Gitta. »Sie sind wie alle wilden Tiere – nur dann gefährlich, wenn man nicht weiß, was man tut. Und wir wissen das, nicht wahr?«
    Hinter uns brach etwas durch das Unterholz. Erschrocken fuhren wir herum, halb darauf gefasst, den augenlosen Schädel einer Präadulten durch den Dschungel auf uns zukommen zu sehen wie einen Güterzug, der langsam und unerbittlich eine Nebelwand teilte.
    Doch wir sahen nur Doktor Vicuna.
    Der Doktor hatte keine Anstalten gemacht, uns zu folgen, als wir das Lager verließen. Nun fragte ich mich, was ihn wohl umgestimmt haben mochte. Was nicht hieß, dass ich von der Gesellschaft des Vampirs allzu begeistert gewesen wäre.
    »Was gibt’s, Doktor?«
    »Mir wurde es zu langweilig, Cahuella.« Der Doktor stieg wie ein Storch durch das niedergemähte Unterholz. Seine Kleidung war wie immer makellos, während die unsere nach einiger Zeit in der Wildnis unweigerlich jede Menge Flecken und Risse aufwies. Seine knielange, graubraune Feldjacke stand vorne offen. Um seinen Hals hing eine zierliche Bildverstärkerbrille. Mit seinen Schmachtlocken sah er aus wie ein schmieriger, magersüchtiger Cherub. »Aha, da ist ja unser Baum!«
    Ich trat beiseite, um ihn durchzulassen. Die Hand, mit der ich die Monofil-Sense hielt, wurde feucht, als ich mir ausmalte, was mit dem Vampir geschähe, wenn ich versehentlich den Bogen etwas vergrößerte und ihn erfasste. Auch wenn er dabei Todesqualen litte, wäre das wohl kein Ausgleich für all die Schmerzen, die er in seiner Laufbahn anderen zugefügt hatte.
    »Ziemlich großes Exemplar, nicht wahr?«, sagte Cahuella.
    »Die letzte Verschmelzung fand wahrscheinlich erst vor ein paar Wochen statt«, ergänzte Dieterling. Er stand dem Vampir ebenso unbefangen gegenüber wie sein Herr. »Sehen Sie sich den Zelltypgradienten an.«
    Der Doktor schlenderte näher, um Dieterlings Rat zu folgen.
    Dieterling hatte aus der Hüfttasche seiner Jagdjacke ein schmales graues Gerät geholt. Es war ein Ultra-Produkt, etwa so groß wie eine Hand, ausgestattet mit einem Bildschirm und einigen Tasten mit rätselhaften Aufschriften. Dieterling berührte mit einer Seite des Geräts die Spirale und drückte dabei auf einen Knopf. Stark vergrößerte Zellen in unterschiedlichen Blautönen erschienen auf dem Bildschirm, verschwommene zylindrische Formen, willkürlich übereinander geschichtet wie Leichensäcke in der Pathologie.
    »Im Wesentlichen sind es Epithelzellen«, erklärte Dieterling und strich mit dem Finger über das Bild. »Man beachte die weiche Lipidstruktur der Zellmembran – sehr charakteristisch.«
    »Wofür?«, fragte Gitta.
    »Für ein Tier. Eine Probe Ihres Lebergewebes sähe nicht sehr viel anders aus.«
    Er fuhr mit dem Gerät über einen anderen Teil der Spirale, etwas näher am Stamm. »Und jetzt sehen Sie sich das an. Vollkommen andere Zellen – viel regelmäßiger angeordnet, geometrische

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