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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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jemand drin saß; man musste schon gezielt ins Innere schauen. Mein Mann wollte sich nur die Maschine ansehen, als er Dieterling fand. Er war auf dem Sitz nach unten gerutscht und atmete noch.«
    »Was war passiert?«
    »Jemand hat auf ihn geschossen. Der Mörder hatte sich wohl in der Nähe herumgetrieben und dann gewartet, bis Dieterling von der Brücke zurückkam. Dieterling war gerade eingestiegen und wollte abfahren.«
    »Wie wurde er erschossen?«
    »Keine Ahnung, Mann. Ich bin doch schließlich kein Pathologe.« Vasquez biss sich auf die Unterlippe, dann fuhr er fort. »Ich denke, mit irgendeiner Strahlenwaffe. Aus nächster Nähe in die Brust.«
    Ich blickte auf das Glas hinab, das ich noch immer in der Hand hielt. Es kam mir absurd vor, mit einem Cocktail dazustehen und zwanglos über den Tod meines Freundes zu plaudern wie über irgendeine Lappalie. Aber ich konnte den Drink nirgendwo abstellen.
    Ich trank einen Schluck und erklärte mit einer Kälte, die mich selbst überraschte: »Ich arbeite auch gern mit Strahlenwaffen, aber wenn ich jemanden töten wollte, ohne Aufsehen zu erregen, würde ich mir etwas anderes aussuchen. Das Mündungsfeuer ist bei Strahlenwaffen greller als bei den meisten Projektilwaffen.«
    »Es sei denn, man schießt aus sehr geringer Entfernung; als wollte man das Opfer erstechen. Hör mal, Mann, es tut mir Leid, aber so ist es wohl abgelaufen. Der Killer muss ihm den Lauf zwischen die Kleider geschoben haben. Wenig Licht, wenig Geräusch – der Rest wurde vom Wheeler geschluckt. Heute Abend wurde ringsum überall gefeiert. Jemand hat neben der Brücke ein Feuer gelegt, das war für die Einheimischen Grund genug für ein rauschendes Fest. Ich glaube nicht, dass jemand einen Strahlenschuss bemerkt hätte, Tanner.«
    »Dieterling hätte nicht einfach dagesessen und sich erschießen lassen.«
    »Vielleicht ist alles zu schnell gegangen.«
    Ich dachte darüber nach. Die Tatsache, dass Dieterling tot war, drang allmählich in mein Bewusstsein, aber was das bedeutete, würde ich erst viel später begreifen. Auch die emotionale Erschütterung ließ auf sich warten. Immerhin konnte ich mich jetzt zwingen, die richtigen Fragen zu stellen. »Wenn alles so schnell ging, dann hat er entweder nicht aufgepasst, oder er hat seinen Killer gekannt. Du sagst, er hat noch geatmet?«
    »Das schon, aber er war nicht bei Bewusstsein. Ich glaube nicht, dass wir noch viel für ihn hätten tun können, Tanner.«
    »Du bist ganz sicher, dass er nichts mehr gesagt hat?«
    »Weder zu mir, noch zu dem Jungen, der ihn gefunden hat.«
    »Der Junge – der Mann, der ihn gefunden hat. Hatten wir den heute Abend kennen gelernt?«
    »Nein; es war einer von den Leuten, die Reivich den ganzen Tag beschattet hatten.«
    Das konnte ewig so weitergehen, dachte ich. Von sich aus würde sich Vasquez nie zu einer ausführlichen Antwort bequemen, man musste jedes Wort aus ihm herausprügeln. »Und? Wie lange hatte er schon für dich gearbeitet? Hatte Dieterling ihn schon einmal gesehen?«
    Es war ein mühseliger Prozess, aber jetzt hatte er endlich begriffen, wohin meine Fragen zielten. »He, keine Chance, Mann. Ausgeschlossen, dass der Junge etwas damit zu tun hatte. Das schwöre ich dir, Tanner.«
    »Er bleibt verdächtig. Und das gilt für jeden, mit dem wir heute Abend zusammen waren – auch für dich, Red.«
    »Wieso sollte ich ihn töten? Ich wollte doch, dass er mich mit auf eine Schlangenjagd nimmt.«
    Das klang so jämmerlich egoistisch, dass es durchaus die Wahrheit sein konnte.
    »Die Chance hast du dir wohl vermasselt.«
    »Ich habe nichts damit zu tun, Tanner.«
    »Aber es ist doch in deinem Revier passiert, oder etwa nicht?«
    Er setzte zu einer Antwort an, und ich wollte gerade fragen, was mit der Leiche geschehen war und was er weiter damit vorhatte, als das Bild zu flimmern begann und dann erlosch. Im gleichen Augenblick flammte, scheinbar auf allen Seiten zugleich, ein gewaltiger Blitz auf, und alles erstrahlte in einem grellen Licht.
    Es dauerte nur eine halbe Sekunde.
    Aber das genügte. So etwas vergaß man nicht. Diese harte, mattweiße Explosion hatte ich schon einmal gesehen. Oder mehr als einmal? Ich wurde unsicher: eine Erinnerung an Nelken aus weißem Licht, die in der Schwärze des Alls erblühten.
    Atomexplosionen.
    Die Gondelbeleuchtung wurde für einige Sekunden schwächer, ich spürte, wie sich mein Gewicht verringerte und wieder normalisierte.
    Jemand hatte eine Atombombe gezündet.
    Die

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