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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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wirklich zu lange dauern. Aber in Grundzügen haben Sie es sicher ohnehin erraten.«
    Sie nickte zur Steuerkonsole hin. »Wir können nicht ewig im Kreis herum fahren.«
    »Dann bringen Sie uns in den Baldachin. An einen öffentlichen Ort, der nicht zu weit vom Escher-Turm entfernt ist.«
    »Was?«
    Ich zeigte Chanterelle die Adresse, die Dominika mir gegeben hatte, und hoffte, meine Unkenntnis – ich wusste nicht einmal, ob es sich um ein Haus oder ein ganzes Viertel handelte – dabei nicht allzu offen zu zeigen.
    »Ich weiß nicht genau, wo das ist.«
    »Mein Finger fängt allmählich an zu jucken. Durchforsten Sie Ihr Gedächtnis, Chanterelle. Und wenn das nichts bringt, muss es in diesem Ding irgendwo auch eine Karte geben. Warum rufen Sie sie nicht auf?«
    Sie gehorchte nur widerwillig. Ich hatte nicht gewusst, dass eine Karte des Baldachins eingespeichert war, aber ich dachte mir, dass in den Tiefen des Gondel-Prozessors etwas Derartiges existieren müsste.
    »Jetzt fällt es mir wieder ein«, sagte sie. Auf der Steuerkonsole leuchtete eine Karte auf, die aussah wie die Vergrößerung der Synapsenverbindungen in einem Teil des menschlichen Gehirns. Beschriftet war sie mit canasischen Zeichen, die einem vor den Augen flimmerten. »Aber ich kenne die Gegend nicht allzu gut. Die Seuche hat dort seltsame Formen hervorgebracht. Das Viertel ist anders – anders als der Rest des Baldachins, und einigen von uns ist es nicht geheuer.«
    »Das verlangt auch niemand. Sie brauchen mich nur hinzubringen.«
 
    Es war eine halbstündige Fahrt durch die Maschen. Der Weg führte in einem langen, geschwungenen Bogen um den Abgrund herum, der nur durch seine Leere zu erkennen war, ein kreisrunder, schwarzer Einschluss im ausufernden Lichtermeer des Baldachins. Ringsum leuchteten die nicht überkuppelten Gebäude an der Peripherie wie phosphoreszierende Köder, die das Maul eines räuberischen Wasserungeheuers umschwammen. Im Innern des Schlundes sah man bis in einen Kilometer Tiefe da und dort terrassenförmige Konstruktionen. Mit ihren gewaltigen Zapfleitungen griff die Stadt noch weiter hinab und holte sich Luft, Energie und Feuchtigkeit, aber die Rohre waren kaum zu erkennen, denn selbst bei Nacht stieg ständig eine Wolke von schwarzen Abgasen aus dem Rachen des Abgrunds.
    »Da ist er«, sagte Chanterelle endlich. »Der Escher-Turm.«
    »Jetzt wird mir manches klar«, nickte ich.
    »Nämlich?«
    »Warum Sie die Gegend nicht leiden können.«
    Hier hatte das waldähnliche Gewirr des Baldachins auf eine Breite von mehreren Quadratkilometern und eine Höhe von mehreren hundert Metern einen völlig anderen Charakter entwickelt: diese Anhäufung bizarrer Kristallformen ließ eher an Vergrößerungen aus einem Geologie-Lehrbuch oder an die Mikrofotografie eines phantastisch veränderten Virus denken. Brennende Lampen im Innern von höhlenartigen Räumen, Tunnels und Gemeinschaftssäle im Innern der Kristalle ließen das Ganze in kräftigen Rosa-, Grün- und Blau-Tönen erstrahlen. Dicke Platten, gräulich-goldene wie Muskovit, erhoben sich stufenförmig über die oberste Baldachin -Schicht. Zarte türkisfarbene Turmalinkrusten schraubten sich wie zierliche Türmchen nach oben; daneben strebten hellrosa Quarzstäbe so groß wie Paläste himmelwärts. Die Kristalle verschlangen und vermischten sich, ihre komplexen Geometrien waren auf eine Art und Weise ineinander gefaltet, die kein Verstand erdacht haben konnte. Es tat fast weh, den Escher-Turm zu betrachten.
    »Das ist Wahnsinn«, sagte ich.
    »Er ist fast überall hohl«, bemerkte Chanterelle. »Sonst könnte er sich da oben nicht halten. Die abgebrochenen Teile wurden schon vor Jahren vom Mulch verschlungen.« Ich schaute nach unten und sah, was sie meinte: unter der drohend aufragenden Kristallmasse bedeckten klobige, auffallend geometrische Mulch -Konzentrationen wie ein Flechtenteppich die Trümmer der zerstörten Stadt.
    »Gibt es irgendeinen öffentlichen Platz in der Nähe, wo wir landen können?«
    »Ich bin schon dabei«, sagte Chanterelle. »Obwohl ich nicht weiß, wozu das gut sein soll. Sie können mir kaum Ihre Pistole an den Kopf drücken, während wir durch einen Markt gehen.«
    »Vielleicht halten uns die Leute für ein lebendes Kunstwerk und lassen uns in Frieden.«
    »Soll das Ihr ganzer Plan sein?« Das klang fast enttäuscht.
    »Eigentlich nicht. Etwas weiter hatte ich schon gedacht. Zum Beispiel hat dieser Mantel sehr geräumige Taschen. In einer davon

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