Chasm City
ausgelassen.« Ich sah sie provozierend an, um sie zum Widerspruch zu reizen. »Aber es war nie genug, nicht wahr? Ihre eigene Sterblichkeit stellten sie nie auf die Probe. Sie setzten sich nie damit auseinander. Natürlich hätten Sie das System verlassen können – draußen warteten jede Menge Gefahren, Aufregungen und eventuell auch Ruhm auf Sie – aber dazu hätten Sie auf das soziale Netz verzichten müssen, das sie trug; auf ihre Freunde, auf die Kultur, in der Sie aufgewachsen waren.«
»Das ist noch nicht alles«, sagte Chanterelle, die offenbar bereitwillig Informationen preisgab, wenn sie glaubte, ich würde sie und ihresgleichen falsch beurteilen. »Einige von uns haben das System tatsächlich verlassen. Aber die wussten, was sie aufgaben. Sie konnten nie wieder gescannt werden. Ihre Simulationen wurden nicht mehr aktualisiert und entfernten sich mit der Zeit so weit vom lebenden Original, dass die beiden nicht mehr miteinander kompatibel waren.«
Ich nickte. »Also brauchte man etwas, das näher an der Heimat war. Etwas wie das Große Spiel. Etwas, woran man seine Kräfte erproben, wo man die Grenzen austesten, sich ein wenig in Gefahr begeben konnte, ohne dass die Situation außer Kontrolle geriet.«
»Und das war gut so. Als die Seuche kam und wir tun konnten, was wir wollten, da lernten wir allmählich wieder, was es hieß, zu leben.«
»Leider mussten Sie dafür töten.«
Kein Wimpernzucken. »Es war keiner darunter, der es nicht verdient hätte.«
Sie glaubte sogar daran.
Wir setzten den Flug über die Stadt fort, und ich stellte weitere Fragen, um herauszufinden, wie viel Chanterelle über das Traumfeuer wusste. Ich hatte Zebra feierlich versprochen, ihr zu helfen, den Tod ihrer Schwester zu rächen, und dazu musste ich so viel wie möglich über die Substanz und ihren Lieferanten, den geheimnisvollen Gideon, in Erfahrung bringen. Chanterelle war ganz eindeutig auf Traumfeuer, aber ich merkte rasch, dass sie nicht mehr über die Droge wusste als all die anderen Leute, mit denen ich gesprochen hatte.
»Ich möchte mir über ein paar Fakten klar werden«, sagte ich. »Wurde das Traumfeuer vor der Seuche schon irgendwo erwähnt?«
»Nein«, sagte Chanterelle. »Ich meine, manchmal kann man sich nur schwer erinnern, wie es vorher war, aber ich bin sicher, dass das Traumfeuer erst in den letzten sieben Jahren aufgetaucht ist.«
»Könnte es dann nicht, was immer es auch sein mag, in irgendeinem Zusammenhang mit der Seuche stehen?«
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Hören Sie, was immer dieses Traumfeuer auch sein mag, es schützt Sie vor der Seuche und ermöglicht es Ihnen, mit all den Maschinchen, die in Ihrem Körper schwimmen, durch den Mulch zu gehen. Das legt für mich die Vermutung nahe, dass zwischen den beiden eine enge Beziehung bestehen könnte; das Feuer erkennt die Seuche und vermag sie zu neutralisieren, ohne dem Träger zu schaden. Das kann kein Zufall sein.«
Chanterelle zuckte die Achseln. »Dann muss es wohl jemand synthetisch hergestellt haben.«
»Wodurch es zu einer Nanomaschine anderer Art würde, nicht wahr?« Ich schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, aber dass jemand etwas hergestellt haben sollte, das gerade hier und jetzt so nützlich ist, kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
»Sie ahnen doch gar nicht, welche Mittel Gideon zur Verfügung stehen.«
»Nein, das ist richtig. Aber Sie können mir erzählen, was Sie über ihn wissen, und dann sehen wir weiter.«
»Warum interessieren Sie sich eigentlich so brennend für ihn?«
»Es geht um ein Versprechen, dass ich jemandem gegeben habe.«
»Aber ich muss Sie enttäuschen. Ich weiß nichts über Gideon, und ich kenne auch niemanden, der Ihnen etwas sagen könnte. Sie müssten wahrscheinlich mit jemandem sprechen, der näher an der Nachschublinie steht.«
»Sie wissen nicht einmal, von wo aus er operiert, wo sich seine Produktionslabors befinden?«
»Nur, dass sie irgendwo in der Stadt sind.«
»Sind Sie da ganz sicher? Als ich das erste Mal mit Traumfeuer in Berührung kam, war ich…« Ich verstummte. Ich wollte ihr nicht zu viel über meine Reanimation im Hospiz Idlewild erzählen. »Nicht auf Yellowstone.«
»Ich weiß es nicht genau, aber ich habe gehört, dass es nicht im Baldachin hergestellt wird.«
»Damit bliebe der Mulch!«
»Vermutlich.« Sie blinzelte. Ihre senkrechten Pupillen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wer sind Sie überhaupt?«
»Das zu erklären«, sagte ich, »würde nun
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