Chasm City
mich herein, aber als ich mich genauer damit befasste, stellte ich fest, dass er für einen Knochenbruch nirgendwo stark genug war.
Die Gondel schaukelte quietschend hin und her. Bis auf unsere Atemzüge und Zebras leises Wimmern war es bemerkenswert still.
Zebra öffnete die Augen einen Spalt breit und sah mich gequält an. »Tanner?«, fragte sie. »Was ist passiert?«
»Wir wurden angegriffen«, sagte ich. Sie hatte von der zweiten Gondel nichts gewusst und war daher völlig überrumpelt worden, während ich mich mental auf eine Intervention, in welcher Form auch immer, eingestellt hatte. »Wahrscheinlich mit einer schweren Strahlenwaffe. Ich denke, wir stecken im Baldachin fest.«
»Sind wir in Sicherheit?«, fragte sie und befreite unter Schmerzen eine ihrer Gliedmaßen. »Nein; warte. Dumme Frage. Entsetzlich dumme Frage.«
»Bist du verletzt?«
»Ich, hm… Moment mal.« Ihr ohnehin schon glasiger Blick wurde noch eine Spur glasiger. »Nein; jedenfalls nichts, was nicht ein paar Stunden warten könnte.«
»Was hast du eben getan?«
»Mein Körperbild auf Schäden untersucht.« Sie sagte es verächtlich. »Was ist mit dir, Tanner?«
»Ich komme schon durch. Falls überhaupt einer von uns durchkommt.«
Die Gondel machte einen Satz, sackte nach unten ab und fing sich zittrig wieder. Ich versuchte, nicht durch das Loch im Boden zu schauen, aber der Mulch schien sich eher noch weiter entfernt zu haben und sah aus wie ein Stadtplan, den man auf Armeslänge von sich abhielt. Ein paar von den untersten Ästen des Baldachins versperrten mir die Sicht, aber sie waren dünn und unbewohnt und verstärkten nur das Gefühl schwindelerregender Höhe. Hinter der Trennwand bewegten sich Schatten. Die Gondel setzte sich wieder in Bewegung.
»Jemand wird uns retten«, sagte Zebra. »Oder meinst du nicht?«
»Vielleicht will sich dieser Jemand nicht in eine Privatfehde einmischen.« Ich nickte zur Trennwand hin. »Von den beiden da vorne ist zumindest einer noch am Leben. Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen, bevor er noch auf unerfreuliche Ideen kommt und womöglich auf uns schießt.«
»Und wo sollen wir hin, Tanner?«
Ich schaute durch das Loch im Boden. »Die Auswahl ist nicht allzu groß, wie?«
»Du bist verrückt!«
»Das mag schon sein«, sagte ich, kniete mich vor das Loch, hielt mich mit beiden Händen an den Rändern fest und streckte den Kopf hindurch. »Das muss wohl an der Gegend hier liegen.«
Ich ließ mich durch die Öffnung gleiten, bis ich mit den Füßen die knorrige Oberfläche des Baldachin- Astes berührte, an dem wir hängen geblieben waren. Es war ein dünner Ast, und wir befanden uns am vorderen Ende, kurz bevor er in feine Fäden auslief, die an die Wurzeln einer Zwiebel erinnerten. Sobald ich einen festen Stand hatte, streckte ich Zebra die Arme entgegen und half ihr aus der Gondel, obwohl sie dank ihrer extrem verlängerten Gliedmaßen meine Hilfe kaum benötigte.
Unten angekommen, hob Zebra den Kopf und betrachtete das zerstörte Vehikel. Das Dach war zu einer formlosen Masse aus verschmorten Bauteilen verschmolzen. Von den Teleskoparmen war nur noch einer vorhanden, er hatte sich, völlig verbogen, mit letzter Kraft etwas darüber in einen Ast gekrallt und hielt die Gondel fest. Man hatte den Eindruck, als würde der kleinste Windstoß genügen, um die ganze Konstruktion in den Mulch hinab zu schleudern. Quirrenbach und der zweite Leibwächter befanden sich noch im vorderen Abteil, aber von außen drückte ein vorstehendes Aststück gegen die Tür, sodass sie sich nicht öffnen ließ.
»Voronoff lebt noch«, sagte ich und deutete mit dem Finger zum dickeren Ende des Astes. Dort kroch der Postmortale langsam und bedächtig auf allen vieren vorwärts. Er war wohl abgestürzt und zufällig hier hängen geblieben.
»Was willst du jetzt tun?«
»Nichts«, sagte ich. »Er kommt nicht weit.«
Der Schuss war exakt bemessen und gut gezielt; genügend Wucht dahinter, um zu überzeugen, aber nicht so viel, um den Ast zu durchschlagen. Voronoff hielt jäh inne, sah sich aber nicht sofort nach uns um.
Zebra spähte in den Gebäudedschungel über uns. Dort stand der Schütze, der eben gefeuert hatte. Sie hatte die Hüfte leicht auswärts gedreht und stützte den Schaft eines großen Gewehrs gegen den Oberschenkel.
Chanterelle schulterte die Waffe und machte sich über eine provisorische Treppe aus ineinander verwachsenen Zweigen an den Abstieg. Ihre Gondel stand heil und unversehrt über
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