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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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aus der Verankerung lösen sollte, während die drei sich auf dem großen Schiff befanden, würde der Autopilot ein Abdriften verhindern.
    Sie hatten die Raumanzüge nicht abgelegt und konnten sofort die Luftschleuse betreten und sich ins Vakuum drehen lassen. Sky hatte viel Augenmaß bewiesen; ihre eigene Andockdichtung befand sich genau über der des Schiffes. Die manuelle Steuerung war seitlich in einer Nische untergebracht. Sky wusste von der Santiago, dass die Schleusen sehr robust waren; selbst wenn sie seit Jahren nicht bewegt worden waren, müssten sie sich ohne weiteres von Hand öffnen lassen.
    Das Verfahren war ganz einfach. Man drehte mit einer Hand eine Kurbel und schob damit die Außentür auf. In der Austauschkammer gab es dann eine größere Schalttafel mit Druckmessern und Reglern, die es ermöglichten, die Luft aus dem Schiffsinneren einströmen zu lassen. Wenn auf der anderen Seite kein höherer Druck mehr herrschte, ließ sich die Tür sogar noch leichter öffnen.
    Er griff mit der behandschuhten Hand nach der Kurbel. Doch sobald sich seine Finger um das Metall schlossen, erkannte er, dass hier etwas nicht stimmte.
    Die Kurbel fühlte sich nicht an wie Metall…
    Sie fühlte sich an wie Fleisch.
    Bevor er das noch vollends registriert hatte, bekam seine Hand von einem anderen Teil seines Gehirns den Befehl, die Kurbel zu drehen, um die Tür zu öffnen. Aber sie ließ sich nicht drehen. Sie verformte sich nur in seiner Hand und dehnte sich, als wäre sie aus Gummi. Er ging näher heran, bis die Sichtscheibe seines Helms fast die Schalttafel berührte. Jetzt wurde ihm klar, warum sich die Kurbel nicht bewegen ließ; sie war vollkommen mit dem Hintergrund verschmolzen. Und das galt auch für alle anderen Schaltelemente. Er sah sich die Tür genauer an. Zwischen ihr und dem Rahmen gab es keine Fuge – beides ging nahtlos ineinander über.
    Es war, als bestünde die Caleuche aus grauem Teig.
 
    Die Seilbahngondel schwamm jetzt mit den anderen Schiffen auf dem schleimigen, braunen Fluss. Quirrenbach überwand die träge Strömung, indem er das Gefährt mit seitlich ausgefahrenen Teleskoparmen an den überhängenden Slum-Bauten abstieß. Er hatte das offensichtlich schon oft gemacht.
    »Wir nähern uns dem Rand der Kuppel«, sagte Zebra und zeigte nach vorne.
    Sie hatte Recht. Eine der Kuppeln des Moskitonetzes reichte hier bis zum Boden, und die Slums zogen sich an ihrer schmutzigbraunen Oberfläche empor. Schwer zu glauben, dass diese überhängende Decke jemals durchsichtig gewesen sein sollte.
    »Dem inneren oder dem äußeren Rand?«, fragte ich.
    »Dem inneren«, antwortete Zebra. »Und das heißt…«
    »Ich weiß, was das heißt«, sagte ich, bevor sie antworten konnte. »Quirrenbach fährt auf den Abgrund zu.«

Fünfunddreißig
    Die Schneise wurde dunkler, je näher wir dem Netz kamen. Die überhängenden Gebäude waren so waghalsig aufeinander getürmt, dass sie sich über uns berührten und einen primitiven Tunnel bildeten, von dem Ekel erregendes Schmutzwasser herunter tropfte. Obwohl der Mulch sonst aus allen Nähten platzte, lebte hier kaum noch jemand.
    Dann fuhr Quirrenbach unterirdisch weiter; an der Vorderseite der Gondel flammten starke Scheinwerfer auf. Gelegentlich huschten Ratten durch das Halbdunkel, aber weder Mensch noch Schwein ließ sich blicken. Die Ratten waren auf Ultra-Schiffen in die Stadt gekommen – die Ultras hatten sie genetisch manipuliert und zur Bordreinigung eingesetzt. Aber vor Jahrhunderten waren einige der Tiere aus dem goldenen Käfig ihres Sklavendaseins entkommen und in das Leben auf freier Wildbahn zurückgekehrt.
    Jetzt rannten sie vor den hellen Ellipsen der Gondelscheinwerfer davon oder schwammen, V-förmige Wellen hinter sich her ziehend, hastig vor uns durch das braune Wasser.
    »Was wollen Sie wirklich, Tanner?«, fragte Quirrenbach.
    »Antworten.«
    »Das ist alles? Oder geht es Ihnen eher darum, sich einen Privatvorrat Traumfeuer anzulegen? Nur zu! Sie können es ruhig zugeben. Wir sind schließlich alte Freunde.«
    »Fahren Sie weiter«, sagte ich nur.
    Quirrenbach beschleunigte. Der Tunnel verzweigte sich immer mehr. Wir befanden uns in einem sehr alten Teil der Stadt. So baufällig dieses unterirdische Labyrinth auch wirken mochte, die Seuche hatte ihm möglicherweise nicht allzu viel anhaben können.
    »Muss das wirklich sein?«, fragte ich.
    »Es gibt andere Wege«, sagte er. »Aber den hier kennen nur wenige. So können Sie diskret ins

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