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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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der Mann.«
    Der Mann gab eine Reihe von neuen Befehlen in seinen Stuhl ein. Wieder ging das Geratter los – es dauerte etwa fünfzehn Sekunden – dann ertönte die pfeifende Stimme von Neuem: »Nein, ich bin nicht Gideon. Aber Sie haben wahrscheinlich von mir gehört. Ich habe dies alles hier erbaut.«
    »Was?«, sagte Zebra. »Das Tunnel-Labyrinth?«
    »Nein«, sagte der Mann, nachdem der Stuhl die neuen Befehle in Sprache umgesetzt hatte. »Nein. Nicht das Tunnel-Labyrinth. Die ganze Stadt. Den ganzen Planeten.« An dieser Stelle hatte er eine Pause einprogrammiert. »Ich bin Marco Ferris.«
    Ich erinnerte mich an Quirrenbachs Bemerkung, der Mann lebe in einer ganz eigenen Welt. Das konnte man wohl sagen. Aber ich spürte unwillkürlich eine gewisse Verwandtschaft mit der Gestalt im dampfbetriebenen Rollstuhl.
    Schließlich wusste auch ich nicht mehr so genau, wer ich war.
    »Nun, Marco«, sagte ich. »Dann beantworten Sie mir doch eine Frage. Sind Sie hier der Chef oder hat Gideon die Leitung? Genauer gesagt, existiert Gideon überhaupt?«
    Der Stuhl klirrte und klapperte. »Oh, natürlich bin ich der Chef, Mister…« Er lehnte es mit einer winzigen Handbewegung ab, meinen Namen zu erfahren; zu mühsam, mitten im Satz innezuhalten und mich danach zu fragen. »Aber Gideon ist hier. Gideon war immer hier. Ohne Gideon wäre ich nicht hier.«
    »Warum bringen sie uns dann nicht zu ihm?«, fragte Zebra.
    »Weil dafür keine Notwendigkeit besteht. Weil niemand Gideon zu Gesicht bekommt, der nicht ganz ausgezeichnete Gründe dafür hat. Alle Geschäfte laufen über mich, wozu also Gideon mit hineinziehen? Gideon ist nur der Lieferant. Er weiß nicht Bescheid.«
    »Trotzdem hätten wir gern mit ihm gesprochen«, sagte ich.
    »Tut mir Leid. Unmöglich. Völlig ausgeschlossen.« Er fuhr rückwärts von seinem Schreibtisch weg. Die großen Räder mit den gewölbten Speichen polterten über den unebenen Boden.
    »Ich möchte Gideon aber trotzdem sehen.«
    »He«, sagte Ratko und trat zwischen mich und den Mann, der sich für Marco Ferris hielt. »Du hast doch gehört, was der Mann sagt?«
    Ratko wollte auf mich los, aber er war kein Profi. Ich warf ihn zu Boden, und er blieb mit gebrochenem Unterarm stöhnend liegen. Ich bedeutete Zebra, sich zu bücken und die Pistole an sich zu nehmen, die er hatte ziehen wollen. Jetzt waren wir beide bewaffnet. Ich zog meine eigene Pistole, während Zebra mit der ihren auf den Mann zielte, der sich Ferris nannte.
    »Sie haben die Wahl«, sagte ich. »Entweder Sie bringen mich zu Gideon. Oder bringen mich vor Schmerzen wimmernd zu Gideon. Was halten Sie davon.«
    Er fingerte an einer anderen Schalterreihe herum. Der Stuhl löste sich von den Versorgungsleitungen. Ich musste damit rechnen, dass er auch über eingebaute Waffen verfügte, aber sie reagierten sicher nicht schnell genug und würden wenig ausrichten können.
    »Hier entlang«, sagte der Stuhl nach einem neuerlichen kurzen Ratteranfall.
    Ferris führte uns durch weitere Tunnel spiralförmig nach unten. Der Stuhl bewegte sich mit schnellen Dampfstößen vorwärts. Ferris steuerte ihn geschickt durch die engen Felsserpentinen. Ich machte mir so meine Gedanken. Quirrenbach und vielleicht auch Zebra waren offenbar der Meinung, dass er in einer Scheinwelt lebte. Aber wenn er nicht der war, der er behauptete zu sein, wer war er dann?
    »Sagen Sie mir, wie Sie hierher kommen«, forderte ich ihn auf. »Und was Gideon damit zu tun hat.«
    Der Stuhl ratterte wieder. »Das ist eine lange Geschichte. Zum Glück hat man mich schon oft gebeten, sie zu erzählen. Deshalb habe ich die folgende Erklärung bereits vorprogrammiert.«
    Der Stuhl ratterte hoch eine Weile weiter, dann setzte die Stimme wieder ein. »Ich wurde auf Yellowstone geboren, in einem stählernen Schoß ausgetragen und von Robotern aufgezogen. Bevor wir die Menschen nämlich lebend von Stern zu Stern befördern konnten, mussten sie aus einer gefrorenen Eizelle gezüchtet und von vorausgeschickten Robotern zum Leben erweckt werden.« Ferris war einer von den Amerikanos gewesen; so viel wusste ich bereits. Die Zeit, von der er sprach, war so lange her – es war sogar noch vor Haussmann gewesen –, dass sie sich zumindest in meiner Vorstellung nahtlos in ein historisches Panorama mit Segelschiffen, Konquistadoren, Konzentrationslagern und Pestepidemien einfügte.
    »Wir fanden den Abgrund«, erzählte Ferris. »Das war die große Überraschung. Vom System der Erde aus hatte

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