Chasm City
man ihn auch mit den besten Instrumenten nicht sehen können. Er war zu klein. Doch als wir anfingen, unsere Welt zu erkunden, war er plötzlich da. Ein tiefes Loch in der Planetenkruste, das Wärme und eine Gasmischung ausrülpste, aus der wir Luft gewinnen konnten.
Eine einleuchtende geologische Erklärung für sein Vorhandensein gab es nicht. Oh, ich kenne die Theorien – Yellowstone sei in jüngerer Vergangenheit durch eine Annäherung des Gasriesen in den Sog von Gezeitenkräften geraten und müsse nun die in seinem Kern gespeicherte Wärme durch solche Abzugsöffnungen an die Oberfläche abgeben. Vielleicht enthält die Geschichte ja sogar ein Körnchen Wahrheit, aber sie ist sicher nicht vollständig, denn sie kann die ungewöhnlichen Eigenschaften des Abgrunds nicht erklären; warum die Gase so anders sind als die übrige Atmosphäre: wärmer, feuchter, um einige Stufen weniger toxisch. Der Abgrund erschien uns fast wie eine Visitenkarte. Und genau das ist er. Ich muss es wissen, denn ich bin unten gewesen und habe mir angesehen, was sich auf dem Grund befindet.«
Er war mit einem der Kleinschiffe zur Erforschung der Atmosphäre in Spiralen immer tiefer und tiefer in den Abgrund hinabgeflogen, bis weit unter die Nebelschicht. Mithilfe seines Radargeräts konnte er es vermeiden, gegen die Seitenwände geschleudert zu werden, aber der Flug war nicht ungefährlich, und irgendwann war sein einsitziges Luftschiff durch einen Systemausfall noch tiefer abgesackt. Dreißig Kilometer unter der Oberfläche war er schließlich auf Grund gestoßen. Das Schiff war auf einer Schicht aus losem Schutt gelandet, die den gesamten Boden bedeckte. Automatische Reparaturprozesse leiteten sich ein, aber er wusste, dass es viele Stunden dauern würde, bis ihn das Schiff zur Oberfläche zurückbringen konnte.
Nur um irgendetwas zu tun, hatte Ferris einen der Atmosphäreanzüge – zum Schutz vor extremen Drücken, Temperaturen und chemischen Zusammensetzungen – angelegt und sich daran gemacht, die Schuttschicht zu untersuchen. Er sprach vom Geröllfeld. Durch Spalten im Fels drang warme, feuchte, sauerstoffreiche Luft nach oben.
Ferris arbeitete sich mühsam durch den Schotter nach unten vor. Es war schier unerträglich heiß, und mehr als einmal war er in Gefahr, sich zu Tode zu stürzen, aber er blieb auf den Beinen und fand einen Weg, der ihn mehrere hundert Meter in die Tiefe führte. Der Schutt drückte auf die darunter liegenden Schichten, aber es gab immer wieder eine Lücke, durch die er sich zwängen, eine Stelle, wo er einen Haken setzen und ein Seil festmachen konnte. Der Gedanke an den Tod begleitete ihn auf Schritt und Tritt, aber immer nur als abstrakte Möglichkeit. Keiner der erstgeborenen Amerikanos hatte sich jemals mit dem Tod auseinander gesetzt; sie hatten nie erleben müssen, wie Menschen älter wurden als sie selbst und schließlich starben. Deshalb konnten sie auch keine gefühlsmäßige Beziehung zum Tod entwickeln.
Und das war gut so. Denn wenn Ferris die Risiken etwas besser erkannt und genau verstanden hätte, was der Tod bedeutete, wäre er wahrscheinlich nicht so tief in das Geröllfeld eingedrungen.
Und er hätte Gideon niemals gefunden.
Sie mussten so lange durch das Weltall gereist sein, bis sie eine andere Spezies fanden, dachte Sky – eine Roboter- oder Cyborg-Intelligenz.
Ganz langsam und mit viel Mühe entlockte er Furchtloser Reisender so etwas wie eine zusammenhängende Geschichte. Die Maden waren viele Millionen Jahre lang eine friedfertige, arglose Raumfahrerzivilisation gewesen, bis sie auf die Maschinen stießen. Den Sprung ins All hatten sie aus ziemlich obskuren Gründen gewagt, die Furchtloser Reisender nicht erklären konnte. Sky erfuhr nur, dass weder Neugier noch die Erschließung neuer Ressourcen ihre Hauptmotive waren. Es war einfach etwas, das man als Made tat; ein imperatives Element aus der Frühzeit der Evolution. Wissenschaft und Naturwissenschaften um ihrer selbst willen besaßen für Maden keine unwiderstehliche Anziehungskraft, sie bedienten sich offenbar nur gewisser Verfahren, die schon so lange im Rassengedächtnis schlummerten, dass die ihnen zugrundeliegenden Gesetze in Vergessenheit geraten waren.
Wie nicht anders zu erwarten, war es ihnen schlecht ergangen, als die fernen Kolonien auf die madenfressenden Maschinen stießen. Die Madenfresser drangen langsam aber sicher in ihren Lebensraum vor und zwangen die Maden, Verhaltensmuster zu ändern, in denen sie
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