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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hatte meine Zweifel; nach allem, was ich mitbekommen hatte, war die Bahn nicht gerade für ihre Zuverlässigkeit berühmt. Ich musste lächeln. Ich war zwar jetzt der Kaiser dieses Miniaturreiches, aber ich hatte nicht dafür gesorgt, dass die Züge pünktlich fuhren.
    Ich vergewisserte mich, dass der Werkzeugkasten nach wie vor den Zug blockierte, hob Norquinco auf und trug ihn nach vorne zum Knoten Sechs. Es war Schwerarbeit, aber ich hatte trotz meiner sechzig Jahre die Kräfte eines Dreißigjährigen, und Norquinco war lange nicht mehr so schwer wie in seiner Jugend.
    Sechs Schläferringe gingen von diesem Knoten ab: sechzig Schläfer, einige davon tot. Ich durchforstete mein Gedächtnis nach Alter und Geschlecht der Passagiere und war sicher, dass von den sechzig mindestens drei als Norquinco durchgehen konnten – besonders, wenn ich den Unfall beim zweiten Mal so steuerte, dass das Gesicht des Mannes nicht mehr zu erkennen war.
    Ich arbeitete mich zur Außenhülle vor. Als ich die Koje des vermutlich aussichtsreichsten Kandidaten erreichte, schwitzte ich und rang nach Luft. Ich sah, dass es sich um einen der noch lebenden Schläfer handelte, und das passte ganz ausgezeichnet in meine Pläne. Bevor Norquinco das Bewusstsein wiedererlangen konnte, griff ich auf die Steuerung des Tanks zu und begann, den Passagier zu erwärmen. Normalerweise hätte das mehrere Stunden gedauert, aber ich bemühte mich nicht, Zellschäden zu vermeiden. Niemand würde eine Leiche obduzieren, die unter einem Zug gelegen hatte, und wer sollte auf den Gedanken kommen, ich hätte die ausgetauscht?
    Mein Kom-Armband piepste. »Ja?«
    »Captain Haussmann? Wir haben möglicherweise eine technische Störung. Es handelt sich um einen Zug in Säulenkorridor Drei, unweit von Knoten Sechs. Sollen wir ein Pannenhelferteam losschicken, um die Sache zu untersuchen?«
    »Nein, das ist nicht nötig«, sagte ich – hoffentlich nicht allzu hastig. »Ich kümmere mich selbst darum. Ich bin ganz in der Nähe.«
    »Wirklich, Captain?«
    »Ganz bestimmt… wir wollen doch keinen unnötigen Aufwand treiben.« Als der Passagier warm – aber hirntot – war, hob ich ihn aus dem Tank. Ja; er war ähnlich gebaut wie Norquinco, auch Haut- und Haarfarbe stimmten so weit überein. Norquinco hatte meines Wissens keine romantischen Beziehungen zu irgend jemandem auf der Santiago – aber wenn ich erst fertig war, sollte selbst ein Geliebter – ob Mann oder Frau – die beiden nicht mehr auseinander halten können.
    Ich hob Norquinco auf und legte ihn in den Tank. Er atmete noch – ein paar Mal hatte er sogar gestöhnt, bevor er wieder das Bewusstsein verlor. Ich zog ihn nackt aus und drapierte das Biomonitoren-Netz über ihn. Die Sensoren hefteten sich von selbst an den Körper und stellten sich präzise ein. Einige würden sich unter die Haut bohren und bis zu den inneren Organen vordringen.
    An der Tankanzeige schaltete eine Reihe von Lichtern auf Grün um, ein Zeichen, dass die Einheit Norquinco akzeptiert hatte. Der Deckel schloss sich.
    Ich studierte die Statusanzeige.
    Der Tank war auf weitere vier Jahre Kälteschlafzeit programmiert. Dann wäre die Santiago bereits im Orbit um Journey’s End und die Schläfer dürften aufwachen und ihr neues Eden betreten.
    Auch mir passten die vier Jahre gut ins Konzept.
    Ich war zufrieden und bereitete mich seelisch darauf vor, den zweiten Passagier in den Säulenkorridor zurück zu schleppen – keine leichte Aufgabe. Doch zuerst musste ich der kaum warmen Leiche die Kleider anlegen, die ich Norquinco eben ausgezogen hatte.
    In der Säule angekommen, legte ich den Mann zehn Meter vor den Zug, der noch immer gegen das Hindernis ankämpfte und nun den Gestank durchgeschmorter Kabel verströmte. Dann holte ich aus einem der Spinde in den Nischen einen schweren Schraubenschlüssel mit langem Griff und zerschlug damit dem Mann bis zur Unkenntlichkeit das Gesicht. Bei jedem Hieb splitterten die Knochen wie spröder Lack. Dann kehrte ich zur Lokomotive zurück und befreite mit ein paar kräftigen Schlägen den eingeklemmten Werkzeugkasten.
    Sobald die Blockade beseitigt war, fuhr der Zug sofort an. Ich musste voraus laufen, um nicht gegen die Wand gequetscht zu werden. Vorsichtig stieg ich über den Toten hinweg und drückte mich in die nächste Nische. Von dort sah ich mit mitleidloser Faszination zu, wie die Bahn mit ihren Güterwagons Fahrt aufnahm, den Mann auf den Schienen erfasste, vor sich her schob und dabei

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