Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
es hatte sich schön symmetrisch um das Einschussloch verteilt wie eine goldene Lotosblüte. Und ich hatte auch den Schuss schön symmetrisch in die Stirn der Hamadryade gesetzt – mit mathematischer Präzision genau zwischen die Augen, wenn das Vieh seine Augen nicht innerhalb des Mauls gehabt hätte.
    »Ausgezeichnet«, sagte Cahuella. »Nehme ich jedenfalls an. Haben Sie eine Vorstellung, was die Schlange gekostet hat?«
    »Nicht so viel, wie Sie mir bezahlen«, sagte ich und programmierte die Sicherheitsablenkung wieder ein, bevor ich es vergaß.
    Er warf noch einen kurzen Blick auf die beschädigte Skulptur, dann lachte er leise und schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich haben Sie Recht. Und ich schätze, Sie haben’s immer noch drauf, Tanner, stimmt’s?« Er sah seine Frau an und schnippte mit den Fingern. »Okay; der Unterricht ist beendet, Gitta. Ich habe etwas mit Tanner zu besprechen – deshalb bin ich herausgekommen.«
    »Aber wir haben gerade erst angefangen.«
    »Ein andermal wieder. Du musst schließlich nicht alles auf einmal lernen.«
    Nein, dachte – hoffte – ich, das wird nie passieren, denn dann hätte ich keinen Grund mehr, in deiner Nähe zu sein. Ein gefährlicher Gedanke – ich hatte doch wohl nicht ernsthaft vor, hier im Reptilienhaus etwas mit ihr anzufangen, während Cahuella im Nebenzimmer saß? Außerdem völlig abwegig, denn bis zum heutigen Abend hatte Gitta durch nichts zu erkennen gegeben, dass sie meine Gefühle in irgendeiner Weise erwiderte. Heute hatte sie allerdings einige Bemerkungen fallen lassen, die mich stutzig machten. Vielleicht wurde es ihr hier draußen im Dschungel doch allmählich zu einsam.
    Dieterling trat hinter Cahuella aus dem Haus und führte Gitta hinein, ein anderer Mann baute den Generator ab. Cahuella und ich gingen auf die Terrassenbrüstung zu. Es war eine feuchtwarme Nacht, kein Lüftchen regte sich. Bei Tag war es hier oft fast unerträglich schwül; das an der Küste gelegene Nueva Iquique, wo ich aufgewachsen war, hatte ein sehr viel milderes Klima. Cahuella hatte seine hochgewachsene, breitschultrige Gestalt in einen schwarzen Kimono mit einem Muster aus verschlungenen Delphinen gehüllt und stand mit bloßen Füßen auf dem Fliesenboden. Er hatte ein breites Gesicht mit einem, wie mir schien, ständig gereizten Zug um den Mund. Das Gesicht eines Mannes, der keine Niederlage mit Anstand hinnehmen konnte. Das volle schwarze Haar klatschte er stets mit so viel Pomade glatt nach hinten, dass die Strähnen im Schein der Hamadryaden-Fackeln wie gehämmertes Gold glänzten. Er strich mit den Fingern über die angeschossene Skulptur, bückte sich und hob ein paar Goldsplitter vom Boden auf. Sie waren so hauchdünn wie das Blattgold, mit dem die Illuminatoren in früheren Zeiten religiöse Schriften verziert hatten. Er rieb sie traurig zwischen den Fingern und versuchte dann, sie wieder auf die Wunde zu drücken. Die Skulptur stellte eine Schlange dar, die sich in der letzten Phase der Mobilität vor der Verschmelzung befand und sich bereits um ihren Baum gewickelt hatte.
    »Ich bedauere den Schaden«, sagte ich. »Aber Sie hatten eine Demonstration verlangt.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht weiter schlimm; ich habe noch Dutzende von den Dingern im Keller. Vielleicht lasse ich sie sogar hier stehen – als Wahrzeichen?«
    »Zur Abschreckung?«
    »Zu irgendetwas muss sie doch gut sein?«. Er senkte die Stimme. »Tanner, es ist etwas geschehen. Sie müssen mich heute Nacht begleiten.«
    »Heute Nacht?« Es war schon spät, aber Cahuella hielt sich nicht an die normalen Tageszeiten. »Was haben Sie vor – einen nächtlichen Jagdausflug?«
    »Ich hätte nicht übel Lust dazu, aber es geht um etwas ganz anderes. Wir erwarten Besucher und müssen sie abholen. Etwa zwanzig Kilometer von hier an der alten Dschungelstraße befindet sich eine Lichtung. Ich möchte, dass Sie mich hinfahren.«
    Ich ließ mir das gründlich durch den Kopf gehen, dann fragte ich: »Um welche Art von Besuchern geht es denn eigentlich?«
    Er strich fast zärtlich über den Kopf der beschädigten Hamadryade. »Keine von der üblichen Sorte.«
    Eine halbe Stunde später verließen Cahuella und ich mit einem der Bodeneffekt-Fahrzeuge das Reptilienhaus. Für Cahuella hatte die Zeit gerade ausgereicht, um für den Ausflug in ein Khaki-Hemd und dazu passende Hosen sowie eine hellbraune Jagdjacke mit unzähligen Taschen zu schlüpfen. Ich manövrierte den Wagen an den baufälligen, von

Weitere Kostenlose Bücher