Chasm City
wohlhabend.«
»Wobei Sie diese Aussage vermutlich gleich einschränken werden.« Ich schaute nach vorne. Der Kriechgang weitete sich zu einem zylindrischen Korridor mit mehreren ovalen Türen an einer Seite. Auch hier war es dunkel und beengt, und die ganze Atmosphäre kam mir unangenehm vertraut vor.
»Bedauerlicherweise… ja«, sagte Quirrenbach. »Die Stadt ist ganz anders geworden. Sie ist kaum noch wiederzuerkennen, und das gilt, so viel ich höre, mehr oder weniger auch für das Glitzerband. Früher gab es dort zehntausend Habitats, die um Yellowstone herum drapiert waren wie – verzeihen Sie die schamlos schiefen Bilder – eine Girlande aus ungeheuer seltenen, kunstvoll geschliffenen Edelsteinen, die jeder für sich in hartem Glanz erstrahlten.« Quirrenbach hielt inne und rang nach Luft, bevor er fortfuhr. »Übrig geblieben sind vielleicht hundert, die noch so weit dicht halten, dass man darin leben kann. Die anderen sind verlassen, luftleere Hülsen, die stumm und tot, begleitet von riesigen, tödlichen Wolken aus Weltraummüll, wie Treibholz durch das All schweben. Man spricht heute vom Rostgürtel«
Das war ein Schlag, den ich erst verarbeiten musste. Nach einer Weile fragte ich: »Was war der Grund? Ein Krieg? Hat jemand beim Bau seines Habitats den Geschmack seiner Nachbarn beleidigt?«
»Nein, es war kein Krieg. Obwohl das vielleicht weniger schlimm gewesen wäre. Nach einem Krieg räumt man die Trümmer weg und fängt neu an. Kriege… sind gar nicht so schlimm, wie man immer sagt…«
»Quirrenbach…« Mir ging allmählich die Geduld aus.
»Es war eine Seuche«, sagte er hastig. »Eine sehr schlimme Seuche, aber eben nur das. Und bevor Sie mir jetzt bohrende Fragen stellen, vergessen Sie nicht, dass ich auch nicht viel mehr weiß als Sie – schließlich bin ich selbst eben erst angekommen.«
»Trotzdem sind Sie sehr viel besser informiert als ich.« Ich ging an zwei Türen vorbei. Vor der dritten blieb ich stehen und verglich die Nummer mit dem Schlüssel, den Vadim mir gegeben hatte. »Wie konnte eine Seuche so großen Schaden anrichten?«
»Es war nicht irgendeine Seuche. Ich meine, keine Seuche im üblichen Sinn. Sie war… vielleicht produktiver. Phantasievoll. Kreativ. Und das auf bisweilen recht heimtückische Weise. Hm, sind wir am Ziel?«
»Ich glaube, das ist seine Kabine.«
»Vorsichtig, Tanner. Vielleicht hat er Fallen aufgestellt.«
»Unwahrscheinlich. Vadim macht mir nicht den Eindruck, als würde er auf lange Sicht planen. Dazu müsste sein Frontalkortex ja voll entwickelt sein.«
Ich steckte Vadims Schlüssel ins Schloss und stellte befriedigt fest, dass sich die Tür öffnen ließ. Als ich eintrat, gingen flackernd die matten, schmutzverkrusteten Lampen an. Die Kabine war zylinderförmig, drei bis vier Mal so groß wie das Loch, das man mir zugewiesen hatte. Quirrenbach folgte mir, blieb aber gleich hinter der Tür stehen wie ein Kanalarbeiter, der noch nicht bereit war, in die Kloake einzusteigen.
Ich konnte es ihm nicht einmal verdenken, wenn er nicht weitergehen wollte.
Der Raum schien die Körpergerüche von Monaten gesammelt zu haben, ein Schmierfilm aus abgestorbenen Hautzellen überzog die vergilbten Plastikflächen. An den Wänden waren bei unserem Eintritt pornographische Hologramme zum Leben erwacht, zwölf nackte Frauen, die sich zu anatomisch denkbar ungünstigen Positionen verrenkten. Sie konnten auch sprechen und sangen mit leicht unterschiedlichen Altstimmen ein Loblied auf Vadims überragende Manneskraft. Ich sah ihn im Geiste gefesselt und geknebelt in meiner Kabine liegen, unempfänglich für derlei Schmeicheleien. Die Frauen wollten nicht verstummen, doch nach einer Weile hatten sich die Bewegungen und die formelhaften Huldigungen so oft wiederholt, dass ich sie ignorieren konnte.
»Ich würde meinen, alles weist darauf hin, dass wir hier richtig sind«, sagte Quirrenbach.
Ich nickte. »Einen Schönheitspreis wird die Kabine nicht gewinnen, wie?«
»Ach, ich weiß nicht – die Flecken sind zum Teil ganz interessant gruppiert. Nur schade, dass er so auf verschmierte Exkremente steht – das gehört doch ins vergangene Jahrhundert.« Er schob – nur mit den Fingerspitzen – eine kleine Klappe am vorderen Ende auf. Ein schmutziges, von Mikrometeoriten verkratztes Bullauge kam zum Vorschein. »Immerhin ein Zimmer mit Aussicht. Wobei ich nicht sicher bin, ob sie einen Blick wert ist.«
Auch ich schaute durch das Bullauge. Man sah einen Teil des
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