Cheffe versenken (German Edition)
Anschlags?
Ich las den Artikel und traute meinen Augen nicht. Die Polizei hatte im Tank von Wiltmanns Porsche eine größere Menge Zucker entdeckt. Bisher konnte niemand sagen, wer den Treibstoff mit den weißen Kristallen versetzt hatte. Fest stand nur, dass der Zucker zum Ausfall des Motors geführt hatte. Weitere Ermittlungsergebnisse konnte oder wollte die Polizei zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekanntgeben.
Ich atmete tief durch und versuchte, mir einen Reim auf diese Neuigkeit zu machen. Wollte jemand einfach nur Wiltmanns Motor beschädigen oder hatte er geplant, dass der Porsche genau auf den Schienen seinen Geist aufgab? Wie war der Zucker überhaupt in den Tank gelangt? Normalerweise war ein Tankdeckel doch abgeschlossen.
Dring. Dring.
Keine Nummer auf dem Display. Ich warf einen kurzen Blick auf Edith. Sie war noch immer so vertieft, dass sie ein nicht an sie gerichtetes Telefonklingeln gar nicht wahrnahm.
»Gellert.«
»Ich weiß. Wie geht es Ihnen?«
»Gut, danke der Nachfrage. Und selbst?«
Mein Puls begann zu rasen. Ich hatte mal gelesen, dass man mysteriöse Anrufer und Lebensmüde in ein Gespräch verwickeln sollte. Mir fiel nur nicht ein, wie ich das in diesem Moment hinbekommen sollte.
»Auch gut. Haben Sie schon die Neuigkeiten von Paul Wiltmann gehört?«
»Ja.«
»Die Geschichte mit dem Zucker im Tank ist schon sehr mysteriös. Finden Sie nicht?«
»Doch, doch.«
»Dann recherchieren Sie mal fleißig weiter. Aber vergessen Sie nicht die anderen.«
»Welche anderen?«
»Ich sage nur Rieken und Sanders.«
»Wer ist das?«
»Das finden Sie schon heraus. Ich melde mich wieder. Frohes Schaffen.«
Klick.
Eine gute Journalistin hätte vermutlich während des Telefonats die Namen mitgeschrieben. Ich war so irritiert, dass ich erst mal Stift und Block hervorkramen musste.
Wie war das noch? Riekers oder Rieken? Den zweiten Namen hatte ich vor Schreck gleich wieder vergessen.
»Edith?«
»Nicht jetzt!«, brummte sie kurz.
Na dann eben nicht. Von Wiltmanns Neuigkeit konnte ich ihr auch noch später berichten. Vielleicht wusste Edith sogar schon Bescheid. Durch mein Zuspätkommen hatten wir nicht viel miteinander sprechen können. Alan schien jedenfalls noch nichts davon mitbekommen zu haben. Sonst hätte er es beim Pflasteraufkleben doch erwähnt, oder?
»Gibt’s hier ein Archiv oder so was?«, fragte ich vorsichtig. Ich wollte Edith nicht lange stören, denn mittlerweile ackerte sie sich lesend durch einen Stapel Manuskriptseiten.
»Archiv … mmh … Moment … wahre Sehenswürdigkeiten … Hamburg … nicht auf den ersten Blick zu erkennen … eingefleischte Reisemuffel kommen … Kosten –« Murmel, murmel.
Ediths Konzentrationsvermögen war unglaublich. Sie hatte sich wieder einmal in ihre Bücherunterwelt vergraben. Nach der Höhe des Stapels zu urteilen, würde sie mir frühestens in drei Tagen antworten. Oder wenn ihr Mittagswecker klingelte. So lange konnte ich nicht warten und startete einen Erkundungsrundgang durch das Verlagsgebäude.
Betont unauffällig überflog ich jedes Türschild. Das Erdgeschoss bestand aus zahlreichen Büros der Redaktion. Direkt neben unserem Raum lag das Büro der glatzköpfigen Kulturleuchte van Gendt. Es folgten das Zimmer von Henner Claassen und weitere Räume, an deren Türen keine Namen standen, sondern nur die Bezeichnung »Redaktion«. Dort kauerten wahrscheinlich die armen einfachen Redakteure. Danach folgten die Toiletten und der Pausenraum. Im hinteren Bereich des Gebäudes saßen die Bildredakteure. Drei von ihnen belegten ein gemeinsames Büro, der vierte war Powalowski. Verständlicherweise hatte er ein Einzelbüro, denn sein Zimmer fungierte ja parallel als Minipraxis für seine Erste-Hilfe-Sprechstunden. Selbst nach Bellersens unnachahmlicher Personalführung war also eine Dauerfaulgasberieselung à la Powalowski für keinen Mitarbeiter zumutbar. Von einem Archiv keine Spur.
Ich ging hinauf in die erste Etage. Dort begutachtete ich eine Tür mit einem besonders auffälligen Schild: die Grafikabteilung. Hier saß also Alan. Aus heiterem Himmel legte meine innere Adrenalinpumpe eine Sonderschicht ein. Ich marschierte zügig weiter und warf ihm einen lasziven Blick durch die Wand zu. Was Alan wohl den lieben langen Arbeitstag machte? Wenn er als Grafiker eine kreative Begabung besaß, brachte er diese wohl auch in Situationen außerhalb seiner Arbeit zur Geltung?
Der Vertrieb war mit fünf Räumen vertreten, darunter das Büro
Weitere Kostenlose Bücher