Cheffe versenken (German Edition)
dann nur noch ein Klacks.«
Alan säuberte den ohnehin sauberen Kratzer. Der Arm schmerzte überhaupt nicht mehr. Von mir aus hätte er noch ein paar Stunden so weitertupfen können.
»Und jetzt brauchst du Infos über Wiltmann? Ist mal was anderes, mit einem Toten anzufangen. Solltest du nicht lieber bei der Firmengründung einsteigen?«
Ich reichte ihm das Pflaster.
»Wieso? Ich verschaffe mir gerade einen Überblick, auch über aktuelle Ereignisse.«
So langsam verzettelte ich mich. Alan schien es nicht zu bemerken.
»Was willst du wissen? Ich kannte Paul ganz gut. Er war zwar nicht mein bester Freund, aber wir hatten eine Menge Spaß zusammen. Der Typ hatte grandiose Ideen. Wir haben manchmal bis in die Nacht an neuen Konzepten geschraubt.«
Bis in die Nacht? Vielleicht war Alan auch einer dieser klischeehaften Kreativen, die nur mit Koks zu Höchstleistungen fähig waren.
»Hat er viel Alkohol getrunken?«
Alan blitzte mich an.
»Aber hallo! Recherchierst du für die Drogenfahndung oder für die Verlagschronik?«
Er hielt noch immer das Pflaster in der Hand.
»Ist mir nur so zu Ohren gekommen. Darüber schreibe ich bestimmt nichts in die Chronik.«
Ich war eindeutig zu weit gegangen und versuchte, das Thema zu wechseln.
»Willst du nicht das Pflaster aufkleben?«
Dabei lächelte ich ihn versöhnlich an und versuchte, seinem Blick standzuhalten. Fing ich etwa an zu schwitzen?
»Doch, gern. Achtung! Schon fertig.«
»Tat gar nicht weh!«
O nein. Trixi spielte das naive Mädchen. Warum fiel mir denn nichts Schlaueres ein?
Alan strich sanft das Pflaster fest. Rundherum regte sich eine wohlige Gänsehaut. Er verharrte einen kurzen Moment und sagte dann: »Weißt du, was ich komisch fand an Pauls Tod?«
»Wieso komisch, er hatte doch einen Verkehrsunfall.«
Ich wollte ihn doch jetzt nicht mehr über Paul Wiltmann ausfragen. Aber wenn Alan unbedingt reden wollte, würde ich ihn nicht unterbrechen. Seine Stimme klang sinnlich und sachlich zugleich. Hatte er das geübt? Ich war einfach nur froh, nicht in mein Büro gehen zu müssen.
»Paul hat zwar gern und oft getrunken, aber sobald Alkohol im Spiel war, ließ er seinen Porsche stehen. Da war er konsequent. Ich bin mir jedenfalls sicher: Mit besoffenem Kopf wäre er niem–«
Die Tür flog auf, und Yvonne Strowe hastete herein.
Ihr Blick hakte sich an Alan fest, der sofort meinen Arm losließ. Dann baute sie sich vor mir auf.
»Habe schon gehört, dass Sie einen kleinen Unfall hatten.«
»Geht schon wieder, Radfahren ist halt gefährlich«, brachte ich hervor und richtete meine gesamte Körperlänge auf. Immerhin konnte ich ihr auf den Kopf schauen. Ich entdeckte dunkle Ansätze unter ihren blond gefärbten Strähnen. Alles unecht an dieser Frau , dachte ich zu meiner eigenen Aufmunterung.
»Könnten Sie nachher in mein Büro kommen? Ich hätte da einen kleinen Job für Sie. Nichts Schwieriges, nur ein paar kurze Pressetexte.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich zu Alan.
»Und seit wann hast du Powalowskis Job übernommen? Bist du jetzt unter die Wunderheiler gegangen? Wenn ich mir an den vielen Projekten einen Zahn ausbeiße, setzt du ihn mir dann wieder ein?«
Vielleicht um die abrupt folgende 180-Grad-Drehung ihres Körpers zu beschleunigen, warf sie mit der typischen Miss-Piggy-Bewegung ihr Haar hinter die Schulter und stolzierte aus dem Raum.
»Ich komme später bei dir im Büro vorbei«, flüsterte Alan und drückte mir für einen etwas zu langen Moment die Klebestreifen des Pflasters in die Hand. »Und übrigens: Radfahren ist gar nicht so gefährlich. Ich hab ein Rennrad, das du gern mal ausprobieren kannst.«
Mit einem erhitzten Lächeln und einer kleinen, vertretbaren Verspätung trat ich meinen Arbeitsdienst an.
Wegweiser
Alan hatte recht. Für die Chronik sollte ich mit der Gründung des Verlages beginnen. Aber war nicht Wiltmanns Ableben viel interessanter als der Pioniergeist des alten Bellersen? Was hatte Alan damit gemeint, dass er Paul Wiltmanns Unfall seltsam fand? Ich musste ihn später danach fragen und startete den Computer. Da fiel mir die Pressekonferenz ein. Wie konnte ich herausfinden, was die Polizei gestern Abend bekanntgegeben hatte? Edith fragen? Ausgeschlossen. Sie tippte wie besessen an einem Text. Ich googelte die Internetseite des Westfalenkuriers , und – siehe da – die erste Schlagzeile war ein Volltreffer.
Zuckersüßer Todesfall. War der Tote am Bahnübergang Opfer eines
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