Cheffe versenken (German Edition)
wenige Zeilen darauf geschrieben.
»Müssen uns dringend treffen. Sa. Abend, 19.30, Backstone, A.«
Backstone? Edith? Was war denn das für eine Geheimbotschaft? Das knittrige Papier erinnerte mich an die Briefchen, die ich mit meinen Freundinnen in der Grundschule durchs Klassenzimmer geworfen hatte. Mucksmäuschenstill legte ich den Zettel auf den Boden. Edith fingerte immer noch meckernd unter der Wand herum und bekam das Papier zu fassen. Ich wagte kaum zu atmen.
Nachdem Edith die Toilette verlassen hatte, blieb ich sicherheitshalber weitere fünf Minuten in meinem gekachelten Versteck. Mit dem mir noch im Kopf verbliebenen Restverstand versuchte ich fieberhaft, den Sinn der kleinen Notiz zu ergründen.
Hatte Edith ein Date? Das wurde aber auch Zeit. Soweit ich wusste, war Edith schon lange Single. Doch die Form des Zettels und die krakelige Schrift wirkten nicht wirklich wie eine romantische Liebesbotschaft. Andererseits war Edith eine Freundin klarer Ansagen und vor allem altmodischer Konversation, und ein verstohlenes Zettelchen gehörte zweifellos dazu. Vielleicht war Edith im Arbeitsleben eine fleißige Arbeitsbiene, doch in ihrer Freizeit brummte sie auf der Suche nach der großen Liebe durch die Kneipen und hatte endlich das ersehnte Rendezvous mit einem hübschen A.
Alan?
Wohl kaum. A.s gab es doch unzählige. Albert, Andreas, Arnd, Arend, August, Armin, Anton. Sicherlich hatte Edith keine romantische Verabredung mit Alan. Einen stürmischen One-Night-Stand der beiden konnte ich mir bei aller Phantasie nicht vorstellen, schließlich sah ich, wenn überhaupt, nur mich in der weiblichen Hauptrolle.
Wie konnte ich herausfinden, was es mit dieser Verabredung auf sich hatte? Ob Alan sich mit Edith treffen wollte? Stand er vielleicht nicht nur auf Miss-Piggy-Typen, sondern wollte seine Sammlung um eine reifere, schrullige Trophäe erweitern? Edith konnte ich schlecht fragen. Ich stopfte das vollgeschluchzte Toilettenpapier in die Schüssel. Mit einer Idee im Hinterkopf spülte ich ab und eilte an meinen Arbeitsplatz.
Hi, Alan, was macht die Kunst? T.
Viel zu tun. Und bei dir? Keine weiteren Verletzungen? Wenn doch, sag Bescheid, für dich lass ich mich gern zum Arzt umschulen. A.
Wollen wir uns morgen Abend treffen? So gegen acht? T.
Sorry, bin den ganzen Tag unterwegs und abends verabredet. A.
Enttäuscht schloss ich das Mailprogramm und fühlte mich hundeelend. Alans Frage, die kurz darauf in meinem Maileingang landete, konnte ich nicht mehr lesen.
Wie wär’s mit Sonntag?
Ich starrte auf den schweren Ordner auf meinem Schreibtisch. Mir blieb nichts anderes übrig, als es Edith gleichzutun und mich in die Arbeit zu stürzen. Wütend schlug ich den Ordnerdeckel auf.
Edith fuhr erschrocken herum.
»Sag mal, Trixi. Irgendwie riecht es hier säuerlich.«
Wumms
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem gehörigen Muskelkater. Besser gesagt, mit Schmerzen, die sich anfühlten wie Muskelkater. Mein Nacken war vollkommen verspannt, und zwischen meinen Schulterblättern schien ein Messer zu rotieren wie eine Hilti in einer Stahlbetonwand. Solche Schmerzen waren mir bisher fremd gewesen. Schließlich hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie so lange Zeit am Schreibtisch gesessen wie am Vortag. Bis zum frühen Abend war ich im Büro geblieben und hatte mich durch Yvonne Strowes Ordner gewühlt. Danach war ich nach Hause geradelt, hatte Florence, Gerd, Rahel und natürlich Betty keines Blickes gewürdigt und bis kurz nach Mitternacht ganze acht Pressemitteilungen zustande gebracht.
Als um zehn Uhr der Wecker klingelte, wollte ich nicht aufstehen. Die Schmerzen waren zu stark, die Mauer aus Angst und Wut gegenüber der vor mir liegenden Arbeit unüberwindbar.
Ich schlurfte in die Küche und grübelte darüber nach, wie ich diesen Tag überstehen konnte. Ich würde ARBEITEN müssen. Bei anderen hatte ich so eine Jammerei bisher immer mit einem Lächeln abgetan. Selbst schuld, lautete dann mein Kommentar. Doch jetzt war ich völlig unverschuldet in eine solche Misere geraten. Gab es eine Selbsthilfegruppe für Wochenendzwangsarbeiter?
Voller Groll legte ich mir einen Plan für diesen kümmerlichen Tag zurecht: Zuerst würde ich stundenlang am Schreibtisch hängen und danach Detektivin mit Hang zur Selbstzerstörung spielen. Ich musste zum Backstone fahren und ausspionieren, was es mit Ediths Verabredung auf sich hatte. Mit ansehen, wie sie sich mit Alan traf und die beiden sich nach einem anregenden
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