Cheffe versenken (German Edition)
Nachdem ich Edith der sicheren Obhut der Sanitäter übergeben hatte, fühlte ich mich selbst schwach und begann zu zittern. Ich merkte, wie der Schreck der Explosion in meinen Gliedern nachwirkte, und wollte nach Hause. Mir war auch egal, ob die Polizei mich als mögliche Zeugin befragen wollte. Waren doch noch genug andere da, die bei der Explosion anwesend gewesen waren.
Erschöpft zog ich die wärmende Kapuze über meinen Kopf und schlich wie eine graue Katze in der Dämmerung davon.
Auf dem Weg zu meinem Fahrrad erblickte ich ihn.
Alan kam geradewegs auf mich zu. Er schaute konzentriert auf den Boden und schien intensiv in ein Handygespräch vertieft. Ich wusste, dass er mich nicht gesehen hatte.
Wie ein Zuflucht suchendes Erdmännchen wandte ich den Kopf hin und her und entdeckte einen Hauseingang wenige Meter hinter mir. Ich drehte mich um und bog ab.
Mein eben noch matt pulsierendes Blut gefror augenblicklich in meinen Adern. Mit dem Gesicht zur Tür presste ich mich in den Hauseingang. In meinem Kopf fochten Bilder und Fragen einen wirren Ringkampf aus: Alan auf dem Weg zum Backstone. Edith in ihrem gewagten Kleid davor wartend. Das Briefchen von A.
Waren die beiden tatsächlich an diesem Abend miteinander verabredet gewesen? Und wenn ja, warum? Hatten sie ein Verhältnis? Was wollte Alan von Edith? Die Explosion.
Sosehr ich mich auch bemühte, meine Gedanken fanden keine Ordnung.
Als Alan vorüber war, huschte ich aus dem Eingang und rannte so schnell ich konnte zu meinem Fahrrad.
Mit zitternden Knien stapfte ich die Stufen zur Wohnung hinauf. Als ich die Tür aufschloss, hörte ich albernes Kichern aus der Küche. Betty und Sybille schienen sich einen schönen Kochabend zu machen. Ich beschloss augenblicklich, mir einen schönen Weltuntergangsabend zu machen.
»Mensch Trixi, da bist du ja!«
Mit einem Ruck öffnete Betty die Küchentür.
»’n Abend.«
Mir war nicht nach Nudelkonversation. Ich zog meine Turnschuhe aus und schleuderte sie unter die Garderobe.
»Ist was passiert, oder warum machst du so ein Gesicht?«
Betty stand in der Küchentür und hielt ein Glas Rotwein in der Hand. Wie aus dem Nichts tauchte Sybille hinter ihr auf und winkte mir prostend zu.
»Komm doch erst mal rein. Wir kochen grade, und das Essen ist gleich fertig.«
Ach was!
»Danke nein, habe keinen Hunger!«
Konnten die beiden Neuverbündeten mich nicht einfach in Ruhe lassen?
»Stell dich nicht so an, Trixi!«
Jetzt stand auch Rahel in der Küchentür. Vielleicht sollte ich mich vor den Fernseher hängen und mir mit ihr einen stumpfsinnigen Teeniehorrorfilm nach dem anderen reinziehen. Das wäre der krönende Abschluss dieses gelungenen Tages. Doch auch Rahel schien das fröhliche Gemeinschaftskochen meiner Gesellschaft vorzuziehen.
»Also, ich freu mich schon aufs Essen. Gleich kommen auch die anderen.«
Mehr konnte Rahel nicht sagen, da es an der Wohnungstür klingelte. Sie stürzte an mir vorbei und öffnete.
Florence und Gerd. Florence trug ein Trägerkleid mit riesigen Mohnblüten darauf. Ihre Haare hatte sie zu kleinen Zöpfchen geflochten. Dazu in jede Strähne eine Kornblume gesteckt. Wie ein wandelndes Ziergehölz stolzierte sie herein und schob majestätisch Gerd vor sich her.
Auch Gerd hatte sich fein gemacht und saß lächelnd in seinem quietschenden Zweitrollstuhl. Dieser Rollstuhl war ein altes Modell und hatte seinen festen Platz vor unserer Wohnungstür. Schließlich konnte Gerd keine Treppen hinaufrollen. Die Stufen überwand er mit einem selbstgebauten Lift, der am Geländer befestigt war.
»Vielen Dank für die Einladung«, rief er gutgelaunt und streckte Betty einen gigantischen Rosenstrauß entgegen. Eine weitere frische Blüte schielte aus seiner Hemdtasche.
»Mais oui, isch bedanke misch auch. Und! Wir freuen uns, dass wir endlisch unsere neue Bald-Mieterin kennenlernen, n’est-ce pas, Gerd?«
Waren jetzt alle durchgedreht? Beinahe war ich bei einer Explosion ums Leben gekommen, doch meine schlechte Verfassung schien hier niemand zu bemerken.
Wie die Manschette eines Blumentopfs zog sich die Muskulatur meines Halses zusammen. Irgendwie musste ich das Zittern meiner Mundwinkel unter Kontrolle bringen. Ich senkte den Kopf und überlegte, wie ich am schnellsten mein Bett erreichen konnte.
»Und wen ’aben wir denn da? Unser fleißiges Bienschen Trixi ist ja auch zu ’ause. Wenn auch nischt mehr lange.« Florence musterte mich kurz.
»Isch finde es ganz toll, dass du bald auf
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