Cheffe versenken (German Edition)
deinen eigenen großen Füßen stehen wirst.«
»Davon kann ich nur träumen«, scherzte Gerd.
Alle lachten, und ich stellte fest, dass niemand meine Sorgen erkannt hatte. Und was war mit Florence los? Normalerweise merkte sie sofort, wenn es mir nicht gutging.
»Endlisch wird Mademoiselle Trixi erwachsen!«, juchzte sie.
In ihrer blumigen Herzlichkeit drückte sie mich an sich. In dem Moment, als ich ihr vertrautes Parfum in meiner Nase und ihre warme knochige Umarmung an meinem Körper spürte, durchbrach meine Verzweiflung meine graue Schutzhülle.
Ich begann hemmungslos zu weinen und schluchzte ohne Pause.
Niemand sprach.
Irgendwann bemerkte ich, dass ich Florence’ Haare mit meinem Tränen völlig durchnässt hatte. Blumengießen à la Trixi.
»Ich hole dir einen Fön«, winselte ich.
»Aber nein!«, entgegnete sie milde. »Vielleischt schlagen die Blumen jetzt Wurzeln. Isch schlage vor, wir ge’en jetzt in die Cuisine, und dann erzählst du mal ganz von vorn.«
Am großen Küchentisch hatte ich alles herausposaunt, was in den letzten Tagen vorgefallen war. Nur meine Schwärmerei und die Unsicherheit Alan gegenüber behielt ich für mich.
»Das ist ja alles dubios«, mischte Sybille sich ein.
Was interessierte mich der Kombinationsversuch dieser Klugschnacke?
»Finde ich auch«, fügte Rahel hinzu.
»Isch glaube, es stecken viele dunkle Machenschaften da’inter«, mutmaßte Florence.
Gerd schüttelte den Kopf.
»Wenn ihr mich fragt, so glaube ich, dass das alles nur Zufälle sind: Der zerstochene Autoreifen geht sicherlich auf das Konto übermütiger Jugendlicher … einmal eine Bonzenkarre anstechen. Ist doch nichts Ungewöhnliches.«
»Na danke, Gerd«, prustete Rahel. »Immer auf die Kleinen.«
»Und die Explosion«, fuhr Gerd analysierend fort, »war bestimmt der Racheakt eines unzufriedenen Backstone-Kunden.«
Die hochbegabte Sybille tat ihre ganz eigene Theorie kund. »Vielleicht hat ein Lieferant die Bombe gezündet, weil er noch eine Rechnung mit dem Wirt offen hatte.«
Du bist ja eine ganz Schlaue, dachte ich, ohne Sybille weitere Beachtung zu schenken. Ging es hier um den armen Wirt oder um mich?
»Ich weiß einfach nicht, wie ich weitermachen soll«, fing ich weinerlich an zu philosophieren und knabberte ein Stückchen Brot. Ich brauchte Mitleid – und zwar so viel, dass Betty wieder mich statt der durchtriebenen Mietschmarotzerin in ihrer Wohnung haben wollte.
»Die Arbeit wächst mir über den Kopf. Ich schaffe die blöden Pressetexte nicht. Vom ersten Chronikkapitel, das ich nächste Woche abgeben soll, ganz zu schweigen! Und dann ist da auch noch Edith. Wenn ich nur wüsste, wie es ihr geht. Es ist wohl das Beste, wenn ich mich gleich zu ihr ins Krankenzimmer lege.« Schwarzsehen für Fortgeschrittene.
»Aber Trixi«, protestierte Florence, »so kennen wir disch ja gar nischt. Du bist doch sonst immer so zuversischtlisch! Lass dein Köpfschen nischt ’ängen. Isch glaube, morgen sieht alles schon wieder ganz anders aus.«
»Ich habe eine Idee!«, mischte Sybille sich wieder ungefragt ein. »Wenn du jetzt schlafen gehst, kannst du völlig entspannt zwölf Stunden pennen und morgen ganz in Ruhe schreiben.«
Ich warf das Brotstück auf den Tisch und stand auf. Als ich die Küche verließ, hörte ich die anderen noch tuscheln.
»Da hat Sybille recht.«
»Ausschlafen kann Wunder wirken.«
»Vielleicht ein bisschen zu viel für jemanden, der zum ersten Mal arbeitet.«
»Ein Prosit auf unsere Bald-Mitbewohnerin.«
Tür zu!
Wechselwirkungen
Die Sonne schien direkt in mein Gesicht. Kurz nach elf. Wirre Träume hatten meinen mehr als zwölf Stunden dauernden Schlaf durchpflügt.
Mich beschlich die dumpfe Ahnung, dass meine Mitleidsstrategie ein Rohrkrepierer war. Dann fielen mir die vierzehn Pressetexte ein, die darauf warteten, geschrieben zu werden. Sollte ich etwa nach dem missglückten Samstag auch noch den heiligen Sonntag mit Arbeit verschwenden?
Ich schlich in die Küche. Die Überreste des Verrätergelages verpesteten die Luft. Betty und Rahel schliefen noch, und ich wollte ihnen auf keinen Fall begegnen. Ein großer Kaffee und eine Schüssel Müsli weckten erste Lebensgeister.
Eine Viertelstunde später saß ich in meinem Zimmer und startete den Computer.
Sollte ich Edith anrufen? Vielleicht lag sie auf der Intensivstation und musste beatmet werden. Vielleicht hatte sie bereits eine Haartransplantation hinter sich und war nicht ansprechbar.
Die Gedanken an
Weitere Kostenlose Bücher