Cheffe versenken (German Edition)
geöffnet.
Jemand steckte mit suchendem Blick den Kopf zur Tür herein. Die laute Technomusik ließ das Bild surreal wirken. Hatte ich Halluzinationen? Kein Zweifel: Im Türrahmen stand Alan.
Ich hopste verlegen auf der Stelle, mein Herzschlag hatte die Technobeatfrequenz überholt.
Hyper, hyper!
Alan entdeckte mich und winkte kurz. Wollte er, dass ich den Kurs verlassen und zu ihm rauskommen sollte?
Das konnte er vergessen. Und wie kam er überhaupt hierher?
Ich spielte die Unnahbare und versuchte krampfhaft, im Takt zu bleiben. Auch wenn ich Alan in diesem Moment nicht sprechen wollte, so sollte er wenigstens meinen sportlichen Kampfstil bewundern. Ich schlug härter zu und schaute mit konzentriertem Blick in den Spiegel.
Hyper, hyper! War er endlich weg?
Nein. Ich blieb standhaft. Wenn er noch länger dort wartete, würde Resi ihn rauswerfen. Sie mochte es nicht, wenn die Kurse durch neugierige Gaffer gestört wurden.
Einfach nur nach vorn schauen. Mein Atem wurde rasend, meine Bewegungen immer unkontrollierter.
»HEY, TRIXI!«
Auch das noch. Alan kam in einem schwarzen Kampfanzug direkt auf mich zu. Sein Outfit hätte selbst John Rambo in die Flucht geschlagen. Schwarze Hose, schwarze Turnschuhe und ein schwarzes, enganliegendes Tank-Shirt. Seit wann hatten Radfahrer solche Armmuskeln?
Die Musik war so laut, dass ich seine Worte kaum verstehen konnte. Ich starrte ihn strafend an. Bei seinem Anblick wurde mir jedoch schwindlig, und ich schaute wieder nach vorn. Im Spiegel konnte ich erkennen, wie alle weiblichen Blicke an Alan hingen. Doch was ich in ihnen sah, war nicht die Angst vor einem gefährlichen Kämpfer, sondern Feuer und Ekstase. Der Mann warf nicht nur mich aus der Bahn.
»WOLLTEN WIR NICHT ZUSAMMEN RAD FAHREN?«, schrie Alan zu mir herüber. Ich fuchtelte mit meinen Armen herum und verpasste den Einsatz zu einer schnellen Rechts-links-Kombination.
»NICHT DASS ICH WÜSSTE!«, schrie ich zurück.
Alan gab nicht auf. Athletisch legte er alle Schläge so hin, als wäre er Profiboxer. War er ein Naturtalent? Und warum sahen seine Bewegungen so unglaublich sexy aus?
Ende des Lieds. Kleine Pause. Was jetzt?
Alle hasteten zu ihren Handtüchern und tranken etwas.
Ich schloss mich an. Ohne Alan zu beachten, ging ich in eine Ecke und schnappte mein Handtuch, um mir den Schweiß abzuwischen.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte Alan.
»Ja nix!«, brüllte ich zurück. Wie sollte hier und jetzt eine entspannte Konversation stattfinden?
Plötzlich riss Alan mir das Handtuch aus der Hand. Er griff beide Enden und warf mir das Tuch über den Kopf. Bevor ich reagieren konnte, zog er mich zu sich heran und küsste mich.
Ich bekam keine Luft, mein Puls explodierte. Sternchen tanzten ziellos über mein Sichtfeld.
Wummer! Wummer!
Das vierte Lied beendete unser kleines heißes Tête-à-Tête. Einige erstaunte, aber noch viel mehr neidische Blicke schossen direkt oder auf dem indirekten Weg über den Spiegel auf uns ein.
Stilikone Steffi machte eine Daumen-hoch-Geste und bewegte ihre Zunge lasziv über ihre Lippen. Ich sprang an meinen Platz zurück und begann mit holprigen Kniestößen.
Alan stellte sich wieder brav neben mich und kämpfte unbeirrt weiter.
Hilflos suchte ich Resis Blickkontakt, doch die schaute wie immer professionell in die Runde und würdigte alle Kursteilnehmer mit gleicher Blickdauer. Alan boxte grinsend neben mir.
»DU BIST VIELLEICHT EIN SCHEISSTYP!«, schmetterte es plötzlich aus mir heraus.
Zwei imitierte Kinnhaken.
»WAS HAB ICH DIR DENN GETAN?«, grölte Alan zurück.
Ich schaute angriffslustig zu ihm hinüber. Seine Augen strahlten Ahnungslosigkeit aus. Schauspielern konnte er offensichtlich auch.
»MIR NICHTS, ABER EDITH! DIE HAST DU EINFACH IN DIE LUFT GEJAGT!«
»WAAAS?«
Vier Schritte vor, vier zurück. Sechzehn Kniestöße.
»ACH JA? GESTERN ABEND IM BACKSTONE! SCHON VERGESSEN?«
»WAS REDEST DU DA?«
Es folgten Kicks.
Zwölf nach vorn.
Zwölf nach hinten.
»ERST BAGGERST DU MICH AN, DANN VERNASCHST DU DIE ARME EDITH!«
»ICH HABE KEINE AHNUNG, WOV–«
Kick zur Seite. Déjà-vu, Trixi!
Wie einige Tage zuvor Simon, sackte diesmal Alan mit einem lautlosen Schrei zu Boden. Warum war er einfach stehen geblieben? Jetzt lag er gekrümmt auf dem schweißbenetzten Boden und hielt sich die Hände vor den Unterleib.
Resi sprang sofort herbei und versuchte zu helfen. Auch die anderen Kursteilnehmer umzingelten den gefallenen Rocky Alan
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