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Chemie der Tränen

Chemie der Tränen

Titel: Chemie der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Carey
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ziemlich gut gegen Pech, und ich löste gerade behutsam das Spannfutter von der ersten Stange, als Eric Croft hereinkam.
    Ich sah ihn an mit meinen blutunterlaufenen Augen.
    »Um Himmels willen, Catherine. Bitte, gehen Sie nach Hause.«
    »Ich mache nur mein Geschenk auf, ganz wie Sie gesagt haben.«
    Habe ich gelallt? Er musterte mich aufmerksam. »Wenn Sie arbeiten wollen, muss es verdammt nochmal erst eine Verfahrensanhörung geben. Was um alles in der Welt wollen Sie mir nur antun?«
    »Die Bronchitis spüre ich schon fast nicht mehr.«
    »Catherine, meine Liebe, wir wissen doch beide, dass Sie ohne Sitzung nicht beginnen dürfen.«
    Wieder klopfte es; die kleine Lesbe trat ein und stieß dabei die Tür mit dem Ellbogen auf, in jeder Hand eine Tasse Kaffee. Ein Teil von mir war ganz gerührt, der Rest entsetzt.
    »’tschuldigung«, sagte sie, doch wanderte ihr Blick zu den Glasstangen und den Lösungsmitteln auf meinem Tisch. Ohne Zustimmung war ich auf ihr Terrain vorgedrungen. Sie zog sich so rasch wieder zurück, dass der Kaffee überschwappte.
    »Na gut«, sagte ich, langte nach den Stangen und legte sie zurück.
    Ich bin mir nicht ganz sicher, was als Nächstes geschah, doch weiß ich noch, dass Crofty mich daran hindern wollte, die Stangen anzufassen, worauf mir eine aus der Hand glitt und senkrecht auf dem Boden aufschlug. Ich sah, wie sie gut fünfzehn Zentimeter hochhüpfte, dann fing ich sie auf.
    Keiner von uns sagte ein Wort.
    Ich legte die Stange in die Kiste und steckte das Spannfutter in eine Plastiktüte, auf die ich mit ruhiger Hand ›Spannfutter # 1 ‹ schrieb.
    Eric griff nach meiner Handtasche und gab sie mir.
    »Kommen Sie«, sagte er. »Ich bringe Sie nach Hause.«
    Ich dachte, Henry Brandling ist in Stücke zerfetzt. Eric darf das nicht sehen.

3
    Crofty sprintete über die Straße, um das Taxi noch zu erwischen, ließ es in jaulendem Rückwärtsgang zu uns zurückfahren. »Kennington Road«, befahl er.
    Alter Schnüffler, dachte ich, aber immerhin kannte er die Hausnummer nicht, also war’s okay.
    »Waren Sie mal Sportler, Eric?«
    »Bei der Armee«, sagte er und wurde rot.
    »Aber Sie waren kein Matrose, oder?«
    Er schlug sich aufs Handgelenk und hielt mir dann zwischen Daumen und Zeigefinger eine tote Mücke hin.
    »Asiatischer Tiger«, sagte er.
    »Was?«
    »Asiatische Tigermücke?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
    »Ich dachte, Sie lesen jeden Tag den
Guardian

    »Ich kann zurzeit überhaupt nichts lesen«, erwiderte ich, was mich wieder an Henry Brandling denken ließ und daran, dass ich Eric unmöglich sehen lassen durfte, was ich in meiner Wohnung hatte. Als wir vor meiner Tür ankamen, scheiterte ich natürlich mit meinen Abwehrversuchen.
    »Sie müssen einen Augenblick warten, Eric.«
    Aber er ging schon meine Post durch.
    In all dem Wust und den Waitrose-Reklamen steckte ein ziemlich großer Umschlag, den ich ihm aus den Händen riss.
    »Warten Sie«, sagte ich. »Bleiben Sie hier. Schauen Sie sich die Bücher an. Lassen Sie mich kurz aufräumen. Bitte.«
    In der Küche machte ich mich daran, die Fetzen von Brandlings zerfleddertem Notizheft in den Umschlag zu stopfen. Tote, trockne Schnipsel kreiselten zu Boden.
    »Was um alles in der Welt machen Sie da?«
    Natürlich war er hereingekommen, um mir nachzuspionieren. Zum Glück übte der Nachbar von oben Golfschläge im Garten, und Craftys soziale Antennen waren schon immer überaus empfindlich gewesen.
    »Ist das nicht der Dings?«
    »Ganz genau.« Ich räumte die Cognacflasche vom Tisch und warf sie in den Müll.
    »Der Sprecher des Unterhauses?«
    »Pensioniert«, erwiderte ich, drehte mich um und stellte fest, dass Eric Croft vom berühmten Mann keineswegs so weit abgelenkt worden war, dass er nicht unerlaubt meine Handtasche geöffnet und die Wodkaflasche nebst gestohlenen Notizheften zu Tage gefördert hätte.
    Es fiel kein Wort. Der Gesichtsausdruck verriet nichts. Ohne Kommentar reichte er mir die Notizhefte, und ich brachte sie ins Schlafzimmer. Als ich mich umdrehte, stellte ich fest, dass er sämtliche Fenster geöffnet und es sich an meinem Küchentisch bequem gemacht hatte, die geleerte Handtasche neben sich auf dem Stuhl.
    »Was sind Sie nur für ein Starrkopf, Catherine.«
    »Und auch ein bisschen verrückt, tut mir leid.«
    »Herrgott, Sie machen mich nervös.« Er schob mir das Glas über den Tisch zu. »Setzen Sie sich.«
    Ich trank den Wodka im Stehen.
    »Arme Cat.«
    Mir wäre es lieber,

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