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Cheng

Cheng

Titel: Cheng Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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redete in einem fort, als habe er soeben die Sprache entdeckt, und als er auflachte, lachte Cheng mit ihm. Sonst lachte niemand, wie auch, aber die umstehenden Damen waren gerührt, die Herren eher gelangweilt.
    In einer anderen Gruppe, die soeben die Möglichkeit eines Neuwahltermins diskutierte, spitzte Professor Rüdiger Frey seine Ohren, stellte sein Glas ab und gesellte sich zu der Gruppe um Cheng. Frey, seines Zeichens Sinologe, hatte offensichtlich eine sehr dezidierte Meinung zu dem, was der Kellner da behauptete, was es auch immer war. Also entspann sich eine heftige, aber keineswegs gehässige Diskussion zwischen Frey, dem Kellner und Cheng, wobei Chengs Beiträge in Nicken, Lachen, Grinsen und schwergewichtiger Nachdenklichkeit bestanden. Als die Sache endlich geklärt war und der Kellner sich wieder an seine Arbeit machte, meinte Professor Frey zu Cheng, glücklicherweise auf deutsch: »Wie man die Sache auch dreht und wendet, Sie müssen mir doch recht geben.«
    Cheng gab ihm recht.
    Huber brummte etwas von wegen er müsse ins Haus, um sich ein ordentliches Getränk zu organisieren, dieses Gesöff hier sei eine öde Angelegenheit. Das fand auch Cheng und schloß sich ihm an, froh um einen Menschen, der die deutsche Sprache für die einzig vernünftige hielt.
     
    Um einen Glastisch gruppiert, saß der harte Kern in schweren, schwarzen Lederfauteuils. Sie sahen aus wie Männer, die nicht bloß Unsinn redeten, sondern diesen Unsinn auch durchsetzen konnten.
    Huber und Cheng, beide mit einem Glas Whisky in der Hand, traten ein.
    »Ah, der Andreas«, sagte ein graumelierter Endfünfziger, der seine Zigarre hielt, als könnte er damit ganze Stadtteile in die Luft jagen, »von dir haben wir gerade geredet. Das ist ja eine peinliche Sache, die dir da mit den Russen passiert ist. Ich habe immer gesagt, daß man mit diesen Leuten nicht zusammenarbeiten kann. Kommunismus oder Mafia, dazwischen kennen die nichts.«
    »Also Kinder, seid’s nicht grausam«, sagte Huber, »so schlecht schaut die Sache gar nicht aus. Die Presse übertreibt natürlich. Deine Schmierfinken, mein lieber Hubert. Wie wir die neue Siedlung in Hartberg eröffnet haben, hab’ ich keinen einzigen von deinen Affen gesehen. Die Hartbergsiedlung ist vorbildlich, ein architektonisches Gustostückerl, und das alles ohne politische Querelen oder irgendeine blöde Bürgerinitiative. Aber da bleiben deine Analphabeten natürlich in ihren Redaktionsstuben und polieren ihre Dreckschleudern.«
    »Tu doch nicht so sensibel, Andreas, du bist der Otto Wanz des Baugeschäfts. Raffiniert und rücksichtslos, wogegen überhaupt nichts zu sagen ist. Aber ich bitte dich, nur wenn du dann einmal fünf Schilling der Caritas spendest, werde ich dir nicht fünf Fotografen nachschicken, damit Sie dich ablichten, wie du den Scheck ausfüllst.«
    »Deine Frechheiten kannst du wirklich für dich behalten, lieber Hubert, ich würde mich genieren, den Proleten nach dem Maul zu schreiben.«
    »Also bitte, meine Herren, das muß doch nicht sein«, unterbrach der Gastgeber den Disput, und zwar mit der Autorität des Arztes, dem wir schlußendlich alle ausgeliefert sind, »ich sehe, unser Freund Huber hat jemanden mitgebracht, und da wäre es doch wirklich deplaziert, wenn wir uns – wie üblich – die Zähne einschlagen, nur damit Kollege Cerwenka seine Arbeit hat.«
    Kieferspezialist Cerwenka und die anderen Herren schmunzelten.
    Huber faßte Cheng an den Schultern, als präsentiere er seinen ältesten Sohn, erklärte, er habe Herrn Cheng – Kunsthändler aus Hongkong, der die deutsche Sprache ganz exzellent beherrsche – soeben im Schatten einer gewalttätigen Heroine kennengelernt.
    Geissler hieß Cheng willkommen, bemerkte kurz, wie freundlich es von Mr. Cheng wäre, sämtliche Skulpturen seiner Gemahlin nach Hongkong zu verfrachten, aber Spaß beiseite, und stellte die anderen Herren vor. Nachdem Cheng dem Präsidenten der Österreichischen Dentistenkammer Cerwenka, weiters Hofrat Denner, Zeitungsherausgeber Hubert Friedrich und Kammersänger Grobfeld die Hand gereicht und sie mehr oder weniger feucht, mehr oder weniger zerdrückt zurückbekommen hatte, sah er in das Gesicht eines Mannes, den er recht gut kannte und den er beim besten Willen hier nicht erwartet hatte: Kriminal-Oberstleutnant Straka, unser Mann vom Mord, wie Geissler witzelte.
    Von Straka ging kein Zeichen des Wiedererkennens aus, er schüttelte Cheng die Hand und setzte sich wieder, kühl und

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