Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
während die andere, eine Frau, die aussah, als hätte sie wenig gelacht in ihrem Leben, schon mit dem cremefarbenen Kleid aus Seide neben mir stand. Es war eng geschnitten und schlicht gehalten mit einem breiten Ausschnitt, der die Schultern frei ließ und tief in den Rücken verlief. Der Stoff umhüllte mich, als wäre er eine zweite Haut, das Kleid wurde zum Boden hin weiter, was meiner Figur schmeichelte. Es war wahrlich ein Meisterwerk. Meine silbrigen Haare harmonierten perfekt mit diesem Traum aus Elfenbein. Meine Haut schimmerte immer noch leicht perlmuttfarben und meine großen goldbraunen Augen blickten mir stumm im Spiegel entgegen. Ich verfolgte betroffen eine Träne, die sich löste und heiß über meine Wange rann, hinunter bis zu meinem Hals, bis sie an meinem Schlüsselbein hängenblieb.
» Ach, Miss, Sie sehen bezaubernd aus. Wir hatten lange nicht mehr eine so schöne Braut hier auf dem Schloss.« Das Entzücken in ihrem Blick wich der Bestürzung, als sie die Tränen in meinen Augen entdeckte. Ein Lächeln zuckte in meinen Mundwinkeln. Ich gefiel mir selber wirklich gut in diesem Kleid. Aber die Umstände brachten mich fast um den Verstand.
Zaghaft drehte ich mich um die eigene Achse und besah mich kritisch von oben bis unten. Ich begann hektischer zu atmen.
»Ich möchte es wieder ausziehen. « Ich versuchte mein Lächeln zu halten und spürte, wie ich schwitzte. Schnell sah ich zu Boden und zählte die Fliesen vor meinen Füßen, als ich das betroffene Gesicht der Schneiderin sah. Ich spürte ihre Sorge, dass das Kleid nicht gut genug sei, ihre Angst vor meinem Vater und dessen Unmut über mein launisches Verhalten. Es war in diesen Momenten, in denen ich selbst so durcheinander war, grässlich für mich, von den Gefühlen anderer überschwemmt zu werden. Bei normalen Menschen war es besonders schlimm. Ihre Schwingungen schwappten einfach auf mich über. Wie Wasser, das über die Ufer trat und mich durchtränkte. Bei meinesgleichen musste ich mich konzentrieren, um ihre Regungen und Gefühle in mich aufzunehmen. Sie zu lesen. Bei Hexenwesen war es leichter als bei Zeitwandlern. Deren Dämonen schienen Emotionen zu absorbieren. Für mich sah es dann so aus, als hätten sie keine. Ich erzählte niemandem von meiner neuen Fähigkeit, nur Louisa. Das hieß, so neu war sie gar nicht. Selbst, als ich noch ein normaler Mensch gewesen war, hatte ich ausgeprägte empathische Fähigkeiten besessen. Henry hatte mir immer versichert, ich werde eines Tages glücklich sein über diese Begabung, mich in andere hineinversetzen zu können. Jetzt gerade verfluchte ich sie.
»Gefällt es Ihnen nicht?«, fragte die rundliche Frau neben mir.
»Es ist perfekt «, brachte ich mit brüchiger Stimme hervor und sah mich Hilfe suchend nach Louisa um. Sie reagierte sofort, ihre hellen Haselnussaugen wurden ernst. Sie kam auf mich zu und wollte mir gerade beim Ausziehen helfen, als die Näherinnen eilig dazwischenkamen und das selbst übernahmen. Auf meiner Unterlippe kauend, nahm ich mir meinen Pullover und meine Jeans und schlüpfte hastig hinein. Meine langen Haare zog ich durch den Kragen und wickelte sie gedankenverloren um meine Hand, während ich mich auf den Weg hinaus begab.
»Also, belassen wir es so, Miss?«, fragte die Frau hinter mir und ich drehte mich ihr kontrolliert zu. »Ja. Sie lassen einen Traum für mich wahr werden.« Wenn sie wüsste, auf welche Art diese Aussage zutraf! Ich lächelte und die Frau entspannte sich.
»Uh, da bin ich aber froh! So etwas Schönes! « Kleinste Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn und ihre gelbe Aura flackerte vor Erleichterung einmal hell auf. Das nahm mich für einen Moment gefangen und mein Lächeln fror ein. Mein Dämon regte sich, angeregt durch die leuchtende Lebensenergie der Frau, aber ich zwang ihn zurück. Eilig wandte ich mich ab. Irgendwie hoffte ich immer noch auf irgendetwas, das mir einfallen könnte, um meine Situation zu ändern. Meine Hand strich über die Lehne des alten großen Stuhles, als ich langsam dem Ausgang zusteuerte. Louisa kam mir nach und schubste mich vorwärts.
Die Vorbereitungen für den Hochzeitsball und die Zeremonie waren in vollem Gang, überall wurde gesäubert, geputzt, gewischt und hergerichtet. Ungläubig verfolgte ich das Treiben, als ich den Salon verließ und wieder zu meinem Zimmer die Treppe hinauf wollte.
» Hanna, schön dich zu sehen. Hast du ein wenig Zeit für deinen Vater?« Es war eigentlich keine Frage und
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