Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
an der alten Einfachverglasung des riesigen Herrenhauses und ich zeichnete sie gerade mit den Fingern nach, als die Tür zu meinem Zimmer knarrend aufschwang.
Ich sah Louisa in der Spiegelung der Fensterscheibe auf mich zu kommen. Bemüht, sie nicht in meine trüben Gedanken zu ziehen, wandte ich mich ihr zu.
»Hanna «, kam es ihr leise mit einem strahlenden Lächeln über die Lippen. Ihre langen braunen Haare hatte sie zu mädchenhaften Zöpfen geflochten und ihre Haselnussaugen sprühten nur so vor Lebensfreude. Ich musste mich erst noch daran gewöhnen, dass sie zu sprechen begonnen hatte. Wie ein kleines Kind freute sie sich über jeden Fortschritt. Sie verstand so ziemlich alles, ob Deutsch oder Englisch, sie hatte aber Schwierigkeiten, die Worte über ihre Lippen zu bringen. Als wenn durch den Schock der Entmächtigung der motorische Ablauf des Sprechens gestört worden wäre. Sie übte jetzt jeden Tag mit einer für sie eigens eingestellten Logopädin und machte zügig Fortschritte.
Ich hatte sie gerne um mich, von meiner anfänglichen Abneigung ihr gegenüber war nichts mehr übrig. Sie war so ziemlich die Einzige, der ich vertrauen konnte, außer Ben. Aber bei ihm war ich mir manchmal ganz sicher, dass er auch eigene Ziele verfolgte. Von denen ich nichts wusste. Louisa sollte zu meiner Zofe ausgebildet werden, was ich absolut lächerlich fand. Ich brauchte sie als meine Vertraute, nicht als mein Dienstmädchen. Aber wenn es so genannt werden sollte, damit ich sie bei mir haben konnte, dann bitte.
»Du musst mitkommen. « Sie sprach jedes Wort sehr langsam und deutlich aus und zog mich bittend mit einem Lächeln hinter sich her.
Widerstand war zwecklos, das wusste ich. Mir war klar , wer sie geschickt hatte und ich ergab mich der ewigen Dämmerung, in der ich mich befand und ging mit ihr. Ich sollte ein Kleid anprobieren. Mein Hochzeitskleid. Wir spazierten also den prächtigen Flur entlang, die alte riesige Treppe mit dem roten Teppich hinunter in den Salon. Nagende Unruhe breitete sich wie eisige Kälte in mir aus und machte mich kribbelig. Viel zu heftig öffnete ich die Flügeltür und ließ sie an die Wände krachen. Ich sah mich um. Der Kronleuchter war hell erleuchtet und zwei Frauen waren mit einer Kleiderpuppe beschäftigt.
Aufgeschreckt durch den Lärm , sahen sie mich an. Ich schluckte, als sie zur Seite traten und ich freien Blick auf das Kleid hatte, das an der Puppe hing. Es war wunderschön und eine Erinnerung drängte sich ungestüm in mein Bewusstsein. Ich, in diesem Kleid, in einem Ballsaal, im Tanz geführt von Lennox, ein Kuss, seine Lippen. Es war ein Traum gewesen! Ich hatte ihn an einem Tag in der alten Backsteinhütte des Hexers Whitkamp geträumt, dessen Haus Opfer der Flammen geworden war. In meinem Traum war es erst Lennox gewesen, der mit mir tanzte, bis es sich wandelte und aus Lennox Ben wurde. Offensichtlich war es nicht so sehr ein Traum als eine meiner Vorahnungen gewesen.
Tränen sammelten sich viel zu schnell hinter meinen Augen lidern und ich versuchte sie verzweifelt wegzublinzeln. Ich war achtzehn Jahre alt und sollte einen Mann heiraten, den ich nicht liebte. Ich war nicht nur eine Zeitwandler-Dämonin in der Wandlung, sondern auch eine Hexe, was mich in die missliche Lage brachte, zwingend einen Hexer ehelichen zu müssen. Und Ben war dieser Mann. Er hatte mir mehrfach das Leben gerettet auf unserer Flucht durch halb Deutschland. Vielleicht war er sogar in mich verliebt. Ich war mir nicht sicher.
Ben verwirrte mich in einer sonderbaren Art. Irgendetwas an ihm zog mich magisch an. Zuerst dachte ich, es sei lediglich seine Energie, die er mir dann und wann freiwillig gab. Aber dann spürte ich, dass es noch etwas anderes war. Aber was es sein mochte, konnte ich nicht benennen. Vielleicht, wenn Lennox sich nicht so nachhaltig in mein Herz und Bewusstsein geschlichen hätte, hätte ich mich in Ben verlieben können.
Lennox’ Gesicht schob sich in meine Gedanken. Sein schiefes Lächeln, die Anziehungskraft seiner dunklen Augen, und etwas riss an meinem Herzen. Schmerzhaft.
Ich huste te leise auf, um mein Aufschluchzen zu verstecken und wappnete mich. Louisa verstand, strich im Vorbeigehen zart meine Hand und schenkte mir eines ihrer unschuldigen Lächeln.
» Gut, dass Sie da sind, Miss Hanna. Wir werden es jetzt anprobieren müssen.« Die eine Näherin, eine kleine runde Frau mit ergrauendem Haar, kam milde lächelnd auf mich zu und half mir beim Auskleiden,
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