Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
panisch.
Immer wieder rief ich seinen Namen. Nicht heulen, Hanna. Du wirst ihn wiederfinden , sagte ich mir und wurde sofort von einem verzweifelten Lachen geschüttelt. Eine kalte Sonne schien plötzlich von einem weißen Himmel und ließ den Schnee glitzern.
Ich ging wahllos in eine Richtung. Nach Minuten, in denen ich in dieser Wüste herumirrte, entdeckte ich etwas. Eine Art Iglo. Oder Eishaus. Zögerlich trat ich näher.
»Hallo?«, rief ich vorsichtig und rechnete beinahe damit, dass irgendein Monster auf mich zustürmen könnte.
»Ist hier jemand?«
Meine Hand drückte wie von selbst eine kleine Tür auf und ich trat herein. Hatte das Haus von außen die Ausmaße eines kleinen Zeltes, war die Größe im Inneren überwältigend. Meine Lippen formten ein Wow! und ich blickte mich ungläubig um. Ich kannte diesen Raum, oder doch nicht? Es war das alte Wohnzimmer meines Onkels Henry, das aus England. Nun entdeckte ich ihn, wie er in seinem Ohrensessel saß und zu mir herübersah. Mein Onkel Henry. Gesund und munter. Ein erstickter Laut löste sich aus meiner Kehle. Seine freundlichen Augen musterten mich, als er seine Brille zurechtschob.
»Hanna, mein Liebes. Du kommst spät.«
Ich stand wie angewurzelt da. Wo war ich hier? Mir entwich eine Art Schluchzen, als ich erkannte, wer aus der Küche kam. Meine Mutter, mit meiner Schwester an der Hand. »Emily? Mama?«, fragte ich und konnte nicht glauben, was für Silben da meinen Mund verließen. Ich presste für einen Augenblick meine Augen fest zusammen. Wollte bis zehn zählen, hielt es aber nicht aus und öffnete sie wieder.
»Das kann nicht sein«, flüsterte ich , drückte meine Finger fest an den Kopf und schüttelte mich. Ich wollte weinen, verzweifelt aufschreien, fortlaufen und lachen. Alles gleichzeitig.
»Du bist jetzt endlich zu Hause, mein Schatz. Hier kann dir nichts mehr geschehen.« Die Stimme meiner Mutter war so unendlich zärtlich, als sie auf mich zukam und mich in ihre Arme schloss.
»Ich habe gebetet, dass es dir gut geht und du deinen Weg zu uns findest.«
Emily legte ihre Kinderhand in meine. »Wir wussten, dass du es schaffst.«
Ich wurde weicher. Alles in mir wurde weicher. Unser Hund Toby, der starb, als ich vier Jahre alt war , tobte auf mich zu und leckte an meiner Hand, die reglos an meiner Seite neben dem baumelnden Gürtel hing. Der Gürtel. Wozu hing er so seltsam an meiner Seite? Ich schüttelte den Gedanken ab. Alles war hier so vertraut. So unendlich friedlich. Ich wollte mich nur noch in dieser Wärme auflösen. Emily griff meine Hand und führte mich durch den Raum. Es roch nach Vanillepudding und Apfelstrudel. Der Geruch meiner Kindheit. Wieder sprang Toby fröhlich an mir hoch, kläffte und berührte die Schlaufe des Gürtels, an den eben noch jemand gebunden gewesen war, damit ich ihn nicht verliere. Wer nur? Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas vergessen hatte.
Meine Mutter stand hinter mir und legte ihren Arm um mich, ich wandte mich zu ihr und Tränen verschleierten meine Sicht.
»Mam, ich habe dich so vermisst«, schluchzte ich und ließ mich ganz in ihre Arme sinken. »Ich liebe dich, Mam«, flüsterte ich und sank tiefer in die Wärme dieses Ortes, wie in eine volle heiße Badewanne. Dabei erhaschte mein verschleierter Blick einen Spiegel, der hinter meiner Mutter an der Wohnzimmerwand hing. Mein Bild darin rief mir aufgebracht etwas zu. Es schüttelte den Kopf, die Lippen bewegten sich unaufhörlich und schnell. Ich runzelte die Stirn. Versuchte von diesen Lippen zu lesen.
LENNOX !
Ich riss mich aus der Umarmung.
Bleib wach, Hanna. Bleib bei dir!
Jetzt verstand ich , was das Spiegelbild mir sagte.
Du musst gehen! Finde Lennox!
»Valerie?«, fragte ich benommen und blickte in das verständnislose Gesicht meiner Mutter.
»Valerie ist nicht hier, Liebes«, erwiderte meine Mutter, die ich seit so vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, betroffen und versuchte mich erneut in ihre Arme zu schließen. Angestrengt zwang ich mich, meine Gedanken zusammenzuhalten. Immer wieder begannen sie fortzudriften, wie Wassertropfen auf einer heißen Herdplatte, die umhertanzten, bevor sie verdunsteten und sich verflüchtigten.
»Mam, ich muss wieder weg.« Mühsam löste ich mich von ihr. Was auch immer dieser Ort hier war, er konnte unmöglich real sein. Mit einem Mal hatte ich Angst, dass die Tür hinter mir verschwunden sein könnte und drehte mich ruckartig um. Sie war noch da.
»Du hast Zeit, Hanna. Bleib doch
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