Cherryblossom 2 - Nymphenherz (German Edition)
verzog mich damit ins Bad und schloss die Tür hinter mir.
Das Bad war ohne Tageslicht und ich hatte nur die kleine Lampe am Waschtisch angeschaltet. Für einen winzigen Moment hatte ich das Gefühl , nicht allein zu sein und hielt den Atem an. Ich lauschte. Meine Finger fuhren die eingravierten Kirschblüten auf dem Buchrücken entlang und schlugen die Seiten schließlich auf. Ich begann zu lesen, versuchte das Altenglisch und Latein zu entziffern und zu verstehen.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich hatte nicht genug in der Schule aufgepasst , denn es wollte mir einfach nicht so recht gelingen. Auf den ersten Seiten gab es viele Texte über die Elemente. Über die Beherrschung des Windes und des Wassers. Hatte ich nicht vor kurzem noch gehört, es gäbe niemanden, der Elemente beherrschen konnte? Ich suchte weiter, vertiefte mich in das Buch. Nichts über Feuer, über das Spiel mit den Flammen. Lediglich eine kleine Formel, mit der, wenn ich es richtig verstand, Licht geschaffen werden konnte. Ich legte den Kopf in den Nacken, musterte die kleine Lampe über mir und lauschte in die Stille. Hoffentlich blieb ich die nächsten Minuten ungestört. Ich versuchte die rechte Hand so zu halten, wie auf der mit Kohle gezeichneten Abbildung. Meine Lippen bewegten sich. »Creare lumen. Creare lumen. Creare lumen.« Ein ungewohntes Prickeln lief von meinem Daumen über die Handfläche zu den anderen Fingern. Ich zuckte kurz und hielt die Luft an. Zwischen meinen Fingern tanzte ein bläuliches Licht, das sich sacht hin und her wiegte, als würde es einer heimlichen Choreografie gehorchen. Ich nahm meine linke Hand und hielt sie vor die Rechte, um das Leuchten auf sie überfließen zu lassen, wie Wasser. Es funktionierte und ich unterdrückte in aufgeregtes Kichern. Wie geil war das denn? Fasziniert beobachtete ich den Tanz der Lichtquelle und freute mich wie ein kleines Kind. Plötzlich erschütterte ein unglaublicher Knall mich bis ins Mark. Ich schnappte nach Luft. Der ganze Raum bebte. Tausende Glassplitter spritzten zu mir herüber, als der Badezimmerspiegel von der Wand fiel, auf dem Waschbecken aufschlug und zerbarst.
Mein Licht erlosch, genau wie die Glühbirne. Jetzt tat es mir leid, dass ich mich in dieses enge Badezimmer ohne Fenster verkrochen hatte. Dunkelheit hüllte mich ein. Mein Atem zitterte in der Stille um mich herum. Vorsichtig tastete ich um mich und zog meine Hand zurück, als sie auf eine Scherbe traf, die mich schnitt. Ich lauschte.
Was war bloß geschehen? Ein Angriff? Oder war ich das gewesen? Nein, sicher nicht. Verdammt, ich konnte aber auch rein gar nichts sehen.
»Licht«, murmelte ich, während ich mich vorwärtsschob. »Creare lumen. Creare lumen. Creare lumen.« Mit einem leisen Zischen sprang die blaue Flamme auf meiner Hand wieder ins Leben. Und das ganz ohne Knall. Bis jetzt zumindest. Ich sah mich um und stand vorsichtig auf, schüttelte die verbliebenen Scherben von meiner Hose. Das Leuchten auf meiner Hand wurde heller und ich sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung auf dem Fußboden. Nein, eher ein Flackern in den vielen Scherben. Eine zerbrochene Spiegelung? Ich stutzte und trat mit lautem Herzschlag näher an einige große Splitter heran.
»Valerie?«, flüsterte ich.
Ihr Antlitz sah mir entgegen, musterte mich. Konnte das sein? Ich versuchte es noch mal.
»Valerie?« Meine Stimme war wackelig, als ich meine Hand zu der Scherbe wandern ließ. War das ein Lächeln in ihrem Gesicht ? Jetzt schien es, als würde sie näherkommen, ich sah nur noch eines ihrer hellen rehbraunen Augen und die Braue. Als würde sie durch ein Schlüsselloch zu mir hereinsehen. Dann schnellte sie zurück, wurde kleiner in der Scherbe. Ich sah ihre ganze Gestalt, gehüllt in ein weißes Gewand, das gespenstisch um ihren Leib wogte. Wie in einem stummen Sturm. Und um sie herum tanzendes Licht. Unwillkürlich hielt ich den Atem an. Jetzt schnellte sie wieder zu mir heran, ich erschrak. Nur ihr Gesicht war in einer spitzen Scherbe zu erkennen, ihre Miene ernst und besorgt.
»Was willst du mir sagen?« , flüsterte ich und konzentrierte mich.
Ihre Lippen bewegten sich schnell, aber kein Ton drang zu mir durch. Kribbelig schob ich mich näher.
»Ich kann dich nicht verstehen.« Mein Kiefer schmerzte, so sehr mahlten meine Kieferknochen. Gehetzt sah sie sich um und verschloss mit einer Geste ihren Mund. Im gleichen Augenblick ertönte ein schrilles Klingeln in meinem Zimmer … oder im ganzen Haus? Ich fuhr
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