Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
kaugummikauend – ein Macho, wie er im Buche steht. Schmierig lächelnd sah er uns Frauen an, wie Vieh auf einer Auktion, was Lennox ein unwilliges Aufschnauben entlockte. Uns weiterhin anzüglich beäugend, zündete er sich eine Zigarette an. Er war ein einfacher Mensch, was sogar für mich vollkommen ersichtlich war. Seine weniger als durchschnittliche Art und der Charme eines Kleinkriminellen wehten uns entgegen. Seinen Namen, Antony, in Einklang mit seiner Herkunft zu bringen, war genauso schwierig, wie sich vorzustellen, dass dieser abstoßende Typ uns brauchbare Pässe liefern konnte, zumal er sich, was dieses Thema anging, erst einmal dumm stellte, bis Lennox ihm zweitausend Euro in bar über den Tisch zuschob.
Er grinste dümmlich und zählte die Scheine. »Habt ihr denn biometrische Passbilder?«, fragte er, nun doch wesentlich kooperativer. Ben schob ihm nüchtern jeweils vier Bilder von uns herüber, die wir zuvor hatten machen lassen.
»Das macht aber morgen früh bei Abholung noch mal zwei Mille.« Er kniff in dem Versuch, einschüchternd zu wirken, die Augen zusammen, was allerdings eher lächerlich wirkte und mich dazu veranlasste, den Blick hastig abzuwenden, befürchtete ich doch, mein Grinsen nicht länger unterdrücken zu können.
Lennox sah ihm unbeeindruckt und völlig aufgeräumt in sein hageres Gesicht. »Wir sind morgen pünktlich da und machen Sie keinen Fehler.« Seine Stimme klang über alle Maßen freundlich, dennoch war die unterschwellige Drohung, die darin mitschwang, beinahe zum Greifen. Antonys Zigarette hing ihm plötzlich schief aus dem Mund und er beeilte sich, sie nicht zu verlieren. Lennox ergriff meine Hand und stand ungerührt auf. Ben und Olivia taten es ihm gleich. Wir verabschiedeten uns mit einem Nicken und verließen eilig die muffige Bar.
Draußen musste ich erstmal tief durchatmen. Ich versuchte, die schwere stickige Luft aus der Bar abzuschütteln und sah mich auf der Straße um.
Hinter mir schob sich Olivia energisch auf die Straße, sie konnte es gar nicht abwarten, endlich aus diesem Loch herauszukommen. Es hatte aufgehört zu regnen und ich trat auf den Gehweg. Die Straßen glänzten noch vom Wasser und ich versuchte, so gut es ging, den Pfützen auszuweichen, als wir vier hoffnungsfroh nebeneinander hergingen. Wir waren guter Dinge, dass wir unbehelligt aus dieser Stadt und aus diesem Land wegkommen würden. Olivia tänzelte mit Ben an der Hand voraus und drehte sich lächelnd in ihrer unverkennbaren Weise zu uns um. Als wir diese bedrückende Straße verlassen hatten, kamen wir auf dem Weg zu unserer Pension an einem Supermarkt vorbei. Es war bald Abend und mein Magen gab vor Hunger ein protestierendes Knurren von sich. Ben drehte sich zu mir um und grinste breit. »Wer hat die Löwen freigelassen?« Ein wenig peinlich berührt über das undamenhafte Magenknurren grinste ich verlegen zurück und bekam Lust aufs Einkaufen.
»Wir sollten ein paar Lebensmittel besorgen gehen.« Lennox zog mich mit sich zum Eingang des Marktes und ich schlenderte mit einiger Vorfreude auf die ganzen leckeren Sachen gemütlich durch die Regale. Hungrig packte ich alles in den Wagen, was mir gefiel. Und mir gefiel einiges. Einkaufen zu gehen, wenn man hungrig ist, war noch nie besonders clever, da man unweigerlich viel zu viel und unsinnige Sachen einkauft, die man nicht wirklich alle verzehren kann. Lennox und Ben waren zu den Getränken verschwunden und Olivia hatte ich auf Höhe der Schminkutensilien verloren. Ich durchstöberte gerade die Süßigkeitenregale, als ich etwas hinter mir hörte. Langsam drehte ich mich um und entspannte mich, als ich ein Mädchen von etwa elf Jahren hinter mir entdeckte, das mich still beobachtete. Sie sah mich an und pulte unsicher an ihrer Hand herum. Ich verstaute meine Haribotüten im Einkaufswagen und wartete ab.
»Kannst du mir die Tüte da ganz oben geben … vielleicht?«, sprach sie mich schüchtern an. Ihre Haltung und ihr lockiges Haar erinnerten mich plötzlich an Maike und an die Situation, als wir uns mit dreizehn das erste Mal auf dem Schulhof begegneten. Damals war ich noch ziemlich neu in der Schule und hatte unheimliche Angst vor den anderen Kindern gehabt. Ein Junge namens Benedikt hatte es auf mich abgesehen und für unheimlich spaßig befunden, um mich herumzutanzen und irgendwelche Reime zu singen. Schneewittchen, Schneewittchen, ohne Arsch und ohne Tittchen war sein Lieblingslied gewesen. Er hatte mir unablässig an meinen
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