Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
beiden Zöpfen gezogen, während er die Kreise immer kleiner hatte werden lassen. Ich hatte schon beinahe zu hyperventilieren angefangen, als Maike beherzt um die Ecke kam und Benedikt einen saftigen Schubs verpasste, der ihn in den Dreck beförder t hatte . Maike hatte den Jungen angebrüllt und anschließend meine Hand genommen und hinter sich hergezogen. Ich hörte wie damals ihre Stimme in meinem Geist, wie sich mich tröstete. »Das ist mein Idioten-Cousin Benedikt«, hatte sie gesagt.
»Nett…«, war alles gewesen, was ich atemlos herausgebracht hatte.
»In dem Fall ist Nett dann die kleine Schwester von Scheiße , mh?« Ihr glockenklares Lachen war für mich wie eine Befreiung. Sie hatte mich gerettet.
Ein schmerzhafter Stich durchfuhr mich. Ich hatte lange nicht mehr an sie gedacht und wusste nicht einmal, ob sie noch lebte. Was war ich nur für ein Mensch, wie konnte ich es so lange von mir fernhalten?
Wir hatten eine Banshee an diesem Abend gesehen. Es war möglich, dass in der Nacht jemand gestorben war, den wir kannten, vielleicht sogar meine Freundin Maike.
Das Mädchen starrte mir unsicher entgegen, ich war in meiner Bewegung eingefroren und sah gedankenverloren auf den Boden.
»Ist schon in Ordnung, ich kann auch jemand anderen fragen«, sagte sie jetzt leichthin. »Nein, nein. Ich mach das schon. Diese hier?«, beeilte ich mich zu sagen und ihrer Aufforderung nachzukommen. Sie nickte und schenkte mir ein zaghaftes Lächeln. Fröhlich drehte sie sich um und verschwand langsam aus meinem Blickfeld. Lange sah ich ihr nach. Mein Herz klopfte hart und schmerzhaft. Mühsam versuchte ich, meine Tränen herunterzuwürgen. Beklommen schluckte ich trocken , und schluckte , und schluckte. Ein Film aus Bildern von Maike lief vor meinen Augen ab. Ihr Lachen, ihre leuchtenden Augen, wenn sie etwas erzählte, die Grübchen in ihren Wangen, wenn sie ein Grinsen unterdrücken wollte. Ich hatte das Gefühl, an meinen Schuldgefühlen zu ersticken und meine Eingeweide zogen sich unbehaglich zusammen. Ich fühlte mich schlecht, Unheil bringend wie ein Monster! Dann schlich sich ein anderes Bild in meinen Geist: Henry. Und meine Tränen brachen sich ihren Weg frei.
Weiter entfernt hörte ich Lennox nach mir rufen, aber ich wollte nicht antworten. Wut keimte in mir auf. Langsam, aber unaufhörlich, wurde sie durch meine Venen getrieben, bis das Rauschen in meinem Körper zunahm und schrill wurde. Unwillkürlich ballte ich die Fäuste und spürte ein Zittern in mir aufleben. Ich wollte mein Leben zurück! Ein Schluchzen kam über meine Lippen, bevor sich die Wut wie eine Explosion entlud und ich auf das Regal zusprang und mit meiner ganzen Kraft an ihm rüttelte. Zuerst schwankte es nur leicht, doch plötzlich begann es zu kippen, um sich anschließend ächzend aus seiner Verankerung zu lösen. Ungläubig sah ich auf das schwankende Ungetüm, das sich langsam, aber sicher neigte. Auf der anderen Seite kippten Dosen und Flaschen heraus. Fassungslos sah ich zu, wie es zu kippen begann und in die andere Richtung stürzen wollte, als blitzartig, mit einem starken Flimmern, alles zum Stillstand kam. Lennox ergriff mich von hinten. »Was zum Teufel machst du da, willst du jemanden umbringen?«, brüllte er mich wütend an und schüttelte mich so stark, dass meine Zähne aufeinanderschlugen.
Ich schmeckte Blut auf meiner Zunge. Erst jetzt erwachte ich aus meiner Starre und nahm das Ausmaß dessen wahr, was ich da gerade anrichtete. Olivia sprintete hinter das kippende Regal und brachte ein kleines Mädchen mit geflochtenen Haaren in Sicherheit, das mit angsterfüllten Augen auf das kippende Regal blickte. Als Nächstes stemmte sie sich hastig dem Regal entgegen. Lennox ließ mich unsanft los und half ihr, es zu stabilisieren. Ben stand fassungslos ein paar Meter hinter mir, als die Zeit losschnellte und durch das laute Poltern einiger Flaschen und Dosen, die nicht mehr gerettet werden konnten, wieder zum Leben erweckt wurde.
Im nächsten Moment war Ben an meiner Seite und nahm mich in den Arm. Ich drückte mein tränennasses Gesicht an seine Schulter und versuchte, das Schluchzen zu unterdrücken. Er streichelte mir übers Haar und raunte mir beruhigende Worte zu, die ich nicht verstand. In meinem Kopf dröhnte es. Behutsam strichen seine Hände über meinen Rücken und verhinderten ein unkontrolliertes Beben meiner Glieder. Langsam kam ich wieder zur Ruhe.
Auf der anderen Seite war währenddessen ein ganz schöner
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