Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
klar geworden, dass er sie nicht nur vor den Gefahren von außen, sondern auch vor ihm selber schützen musste. Sie unterschätzte die Kraft und Bösartigkeit eines Dämons.
Und jetzt gab es noch andere Probleme zu bewältigen. Wo sollte er mit Hanna hin, wenn er weiterhin den Rat nicht erreichen konnte, wohin, wenn wirklich ein Krieg ins Haus stand? Es hatte noch nie einen Krieg zwischen Zeitwandlern und Hexenwesen gegeben. Wer störte jetzt dieses Gleichgewicht so empfindlich, dass es zu kippen drohte? So viele Fragen und unendliche Möglichkeiten. Seit er sich in Hanna verliebt hatte, war alles noch schwieriger geworden. In einer immerwährenden Mitternacht lebend, war er nur für sich da gewesen, jede Nacht zog er in die Welt und raubte sich das, was er brauchte und wollte. So sollte es auch sein! Zeitwandler lebten allesamt für die Nacht und die Dunkelheit. Wie war es also möglich, dass – seitdem Hanna leibhaftig in sein Leben getreten war – für ihn die Sonne aufging? Er lächelte versonnen ob der Absurdität des Ganzen und schloss die Augen.
Als ich wach wurde taten mir sämtliche Knochen weh. Ich bewegte sacht meine Gliedmaßen und zuckte stöhnend zurück, als mein Nacken sich verkrampfte. Steif setzte ich mich auf, ich hatte angelehnt an Lennox geschlafen und musste nun die schlechte Schafposition büßen. Mir gegenüber schlief Ben unruhig mit in Falten gelegter Stirn. Seine Augen gingen lebhaft unter geschlossenen Lidern. Olive sah aus dem Fenster und ich bemerkte, wie sie durch die Spiegelung der Scheibe versuchte, das fremde Mädchen im Blick zu behalten. Lennox rührte sich und lächelte mich matt an. »Schön geträumt?«, raunte er mir zu, nahm meine Hand und hauchte einen Kuss auf meinen Handrücken.
»Du hast das Essen verpasst.« Olive beugte sich lächelnd zu mir rüber und flüsterte mir verschwörerisch zu.
» Mein Gott, kannst du schlafen. Richtig unheimlich. Neben dir hätte man sicherlich eine Bombe zünden können und du hättest nichts gehört. Aber i ch hab dir was zu essen aufgehoben.«
Lennox schnaufte auf. » Du hast ihr was übrig gelassen? « Ein abgehacktes Lachen. » Sie kann sich jederzeit in der Kantine kaufen, was sie möchte.« Olive ließ den Blick blitzschnell zum stummen Mädchen schweifen und heftete ihn dann auf mich. »Sie hat fast nichts übrig gelassen, aber ich habe dir das Beste in Sicherheit gebracht.«
Ihre feinen Mandelaugen blitzten amüsiert, als sie mir eine Piccoloflasche Prosecco und einen Apfel präsentierte. »Das ist … toll … Olive. Davon werde ich ganz bestimmt wieder zu Kräften kommen, danke!« Ich unterdrückte ein Schmunzeln und sah in Lennox’ belustigtes Gesicht. »Nicht wahr?«, strahlte sie mich an.
Ich verspeiste den Apfel und spülte ihn mit Prosecco runter, was zur Folge hatte, dass ich einen leichten Schwips bekam und grinsend vor mich hinsah. Lennox beschloss, dass ich mir die Beine vertreten sollte und etwas Anständiges in der Kantine essen musste, also ließen wir die anderen zurück und verließen unser Abteil.
Der Zug zischte laut dahin und ich musste mich bei einem plötzlichen Rütteln des Zuges an Lennox festhalten. Er stützte mich zuvorkommend an meinem Arm und lächelte mich lieb mit schräggeneigtem Kopf an. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich konnte es nicht fassen, dass ich ihn wiederhatte, war so glücklich, dass es mich berauschte. Um mich herum wurde alles ruhig, meine Hand legte sich an seine Wange. Seine Augen weiteten sich und sein Lächeln wich Unsicherheit, er verkrampfte sich zusehends und senkte seinen Blick. Ich stutzte kurz, er sah mich nicht direkt an. Das machte mich ungeduldig, ich wollte seine Lippen schmecken, seinen Wintergeruch in mich aufnehmen. Fordernd drückte ich mich an ihn und ließ meine Lippen an seinem Hals heraufwandern. Seine Hände schlossen sich völlig unerwartet wie Fesseln um meine Handgelenke und er schob mich bestimmt von sich fort. Durchdringend sah er mich an und schüttelte langsam den Kopf. Ich holte Luft und wollte gerade was sagen, als er mir schon über den Mund fuhr: »Ich habe dir gesagt, dass es nie wieder vorkommen wird.« Entsetzlicherweise wusste ich nur zu gut, was er meinte. Trotzdem wollte ich mich doch dumm stellen, entschied mich dann aber doch dagegen, da es nicht viel gebracht hätte. »Es ist nichts passiert, was du jetzt so furchtbar bereuen müsstest«, zischte ich mit beschädigtem Stolz.
»Es hätte aber ernsthaft gefährlich werden können
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