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Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Titel: Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Kamp
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war.
    »Ich weiß nicht genau, ich habe einmal … durch einen Kuss …« Ich unterbrach mich, der Gedanke an Mark schmerzte und ich presste die Lippen aufeinander. Heute würde seine Beerdigung sein.
    Olivia zog die Augenbrauen hoch und sprach unbeirrt weiter. »Du hast durch einen Kuss geraubt? Wie lange ist das her?«
    »Vielleicht zwei Wochen«, stammelte ich unsicher. Mir war jegliches Zeitgefühl abhandengekommen. Wie lange war es her, dass ich Henry das letzte Mal gesehen hatte?
    Olivia runzelte die Stirn. »Und du warst noch nicht wieder hungrig?«, fragte sie ungläubig.
    »Ich weiß nicht, ich weiß gar nicht genau, wie es sich anfühlt. Ist es so, als wenn man Hunger auf Pizza hat?«, fragte ich vorsichtig und bereute es sofort.
    Jetzt umspielte ein spöttisches Lächeln Olivias weiche Lippen. Ich sank beschämt und zornig auf meinem Stuhl zurück. Diese Frau war so was von überheblich. Ihre gesamte Ausstrahlung wurde von Arroganz dominiert. »Nein, Liebes, es ist mehr wie … Leidenschaft und Schmerz … ja, die schmerzenden Hände und Finger sind wohl bei allen Zeitwandlern das prägnanteste Merkmal. Und von Leidenschaft weißt du wohl auch noch nicht viel, wie mir scheint.«
    Der spöttische Unterton ging in meinem Gedankenstrom unter. Schmerzende Fingerkuppen. Ich fühlte diesem Schmerz nach, erinnerte mich an ihn und mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Was wäre, wenn ich gestern tatsächlich unbeabsichtigt Lennox’ Energie rauben wollte, als wir uns beinahe geküsst hätten? Ich ließ den Gedanken zitternd in der Luft hängen und konzentrierte mich wieder auf Olivia.
    »War nicht so gemeint, du bist noch jung«, entschuldigte sich Olivia, die meinen entrückten Gesichtsausdruck fehlinterpretiert hatte.
    »Schon gut.«
    »Wie war dein erster Raubzug denn so?«, bohrte Olivia weiter.
    »Verstörend? Der Junge, den ich geküsst hatte, ist dabei zusammengebrochen.« Bei der Erinnerung verzog ich das Gesicht. Olivia fing so plötzlich schallend an zu lachen, dass ich zusammenzuckte und sie mit großen Augen anstarrte. »So etwas in der Art ist mir das erste Mal auch widerfahren. Ich hatte ein Schlückchen zu viel Blut von meinem ersten Opfer genommen und der Ärmste in meinem Bett wollte und wollte einfach nicht mehr wach werden. Das ist ein höchst sonderbares Gefühl, ich dachte, ich hätte ihn ins Jenseits befördert. Glücklicherweise erholte er sich innerhalb der nächsten Stunde und ich konnte ihn aus meinen Räumen verweisen. Ich hatte mir schon fieberhaft Gedanken gemacht, wie ich mich seines Leichnams entledigen könnte. Da es sich um einen jungen Herren aus gutem Hause und nicht um einen Obdachlosen handelte, hätte ich ihn ja wohl kaum im Untergrund an irgendwelche dubiosen Medizinstudenten oder Apotheker verschachern können.« Ihr plötzlicher Gefühlsausbruch überrumpelte mich und ich musste mitlachen, was wirklich befreiend war. Es schien ein winziges dünnes Band der Gemeinsamkeit zwischen uns geflochten worden zu sein und wir blitzten uns verschwörerisch an.
    »Woher kennst du Lennox?«, fragte ich unvermittelt und biss mir gleichzeitig auf die Zunge für meine Neugierde.
    Olivia musterte mich spitz. »Wir waren in den fünfziger Jahren für kurze Zeit ein Paar.« Sie wartete gespannt auf meine Reaktion und fuhr dann fort: »Es funktionierte nicht, wie meist zwischen Zeitwandlern.« Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Bemüht, den leisen Stich der Eifersucht in meiner Brust zu ignorieren, fragte ich weiter: »Warum, wie meinst du das mit den Zeitwandlern?« Olivia bedachte mich mit einem vielsagenden Blick und holte tief Luft. »Wir Zeitwandler tragen alle einen ziemlich mächtigen Dämon in uns. Er sorgt dafür, dass wir nicht sterben, nicht zerfallen, nicht krank werden. Er heilt uns, fordert im Gegenzug aber sehr viel unserer Menschlichkeit. Und er braucht Energie, die wir stehlen müssen. Hast du dich noch nie gefragt, warum es doch relativ wenig Zeitwandler gibt, im Gegensatz zu Menschen? Ich meine, wir sind viel zäher, gesünder und stärker. Aber von uns gibt es nur etwa hunderttausend auf der ganzen Welt.«
    Verblüfft sah ich auf und pulte angespannt an meinem Daumennagel. »Weißt du, ich hatte noch nicht viel Zeit mir über so was Gedanken zu machen. Aber ich meine, Lennox hatte so etwas erwähnt. Dass es nicht so viele von uns gibt und das Zusammenleben schwierig sei.«
    Olivia ließ ihren Blick schweifen. »Es liegt unter anderem

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