Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)
entgegen, und für einen Moment hasste ich Olivia aus tiefstem Herzen.
Sie pfiff mir zu und warf mir ein schwarzes enges Kleid, eine schwarze Strumpfhose, Strickjacke und Spitzenunterwäsche zu. Ich hielt ihr das Höschen entgegen und runzelte die Stirn.
»Danke, aber das ist Reizwäsche. Wozu brauch ich das denn in meiner jetzigen Situation? Ich habe gerade andere Sachen im Kopf, als jemanden zu verführen. Ich würde lieber meine Sachen anziehen«, sagte ich schroff.
Olivia machte ein erschüttertes Gesicht. »Deine Sachen sind nicht mehr zu gebrauchen, außerdem sollte man immer etwas Schönes drunterhaben. Man weiß ja nie.« Sie blinzelte mich verschwörerisch an. »Hanna, du siehst zwar irgendwie noch aus wie ein Kind …«, sie rümpfte die Nase, was mir ein unwilliges Schnauben entlockte, »... bist es aber offenbar nicht mehr. Also solltest du auch anfangen, wie eine Frau zu denken.«
Mein Mund öffnete und schloss sich wieder, ohne dass ein Wort über meine Lippen drang, während sie verschwand. Sie begann ernsthaft, mich wütend zu machen. Was bildete sich diese arrogante Kuh nur ein? Eilig zwängte ich mich in die neuen Klamotten. Das Kleid war wirklich eng. Ich versuchte, flach zu atmen und stellte mich vor Olivias großen Prunkspiegel. Es war kurz, hatte lange Ärmel und betonte die Figur viel zu sehr. Ich hatte definitiv einen zu kleinen Busen für diesen Fummel, doch ich versuchte, diese Tatsache einfach zu ignorieren, kämpfte mich in die Strumpfhose und anschließend in meine schwarzen Stiefel, weil ich hoffte, diese Wohnung nach Lennox’ Rückkehr umgehend verlassen zu können. Mein Haar türmte ich schlicht zu einem Knoten am Hinterkopf auf, bevor ich meine Kette umlegte. Leise drückte ich die Tür auf und schlich in den Flur.
Ich hörte Lennox’ aufgeregte Stimme auf Olivia einreden. Es fiel der Name meines Vaters und irgendetwas über Artefakte. Ich beschleunigte meine Schritte und platzte in eine Situation, in der die Luft sich zum Schneiden dick anfühlte. Die Blicke der beiden flogen mir zu, Lennox’ Augen weiteten sich erstaunt. Er bedeutete mir, mich zu setzen und sah mich ernst an. »Hanna, ich kann deinen Vater momentan nicht erreichen. Es sieht so aus, als wäre er persönlich auf der Suche nach deinem Onkel und den Artefakten.«
Olivia machte ein besorgtes Gesicht und rang ihre schönen Hände, bevor sie sich einmischte. »Lennox, du musst ihr sagen, was es mit den Artefakten auf sich hat.«
»Olive, halt dich da raus«, zischte er sie so intensiv an, dass ich erschrak.
»Was hat es denn mit den Artefakten auf sich?«, fragte ich kleinlaut.
Lennox beugte sich ein Stück näher zu mir, bevor er Olivia von der Seite einen wütenden Blick zuwarf. »Es gibt jeweils zwei dieser Artefakte auf jedem Kontinent der Welt. Sie sind zwei Gegenstücke, so wie Ying und Yang, Für und Wider, Dunkel und Hell. Nur zusammen können sie Magie wirken . Sie können unseren Dämon stärken oder töten. Die Dämonen in uns sind eigenständige Existenzen. Sie sind mit uns verankert und leben mit uns in einer Art Symbiose. Geht es ihnen gut, geht es uns gut und umgekehrt. Wenn wir, egal ob Vollblut oder Halbblut, geboren werden, schlummert diese Existenz in uns. Wenn sie erwacht und ihre Kräfte mit uns teilt, sind wir miteinander verbunden, wie siamesische Zwillinge, metaphorisch gesehen. Sollte man versuchen, den Dämon zu töten oder ihn von uns zu trennen, weiß keiner, ob der andere, der menschliche Teil, überlebensfähig wäre. In manchen Fällen ist er es, in den meisten jedoch stirbt er.« Er machte eine kurze Pause und kniff die Augen einmal zusammen. » Die Artefakte sind sehr mächtig, sie können noch viel mehr. Zwei dieser Gegenstücke sind bei einem Zeitwandler in Afrika und zwei in Australien. Die in Amerika sind im Besitz deines Vaters, die aus Asien sind verschollen, keiner weiß, wer sie hat, und die aus Europa sind nach neuesten Erkenntnissen tatsächlich in den Händen deines Onkels. Und keiner weiß so genau, was er damit vorhat. Fakt ist, dass so ziemlich jeder Zeitwandler solch ein Artefakt gerne besitzen würde, und möglicherweise bereit ist, alles dafür zu tun. Dann gibt es auch noch andere machthungrige Kreaturen und Menschen, denen es nach diesen Schätzen verlangt. Es könnte sein, dass dein Onkel diese Artefakte aus einem ganz bestimmten Grund an sich gebracht hat. Und der Rat denkt nicht, dass er es wegen ihres Verkaufswertes getan hat.« Er blickte mir fest in die
Weitere Kostenlose Bücher