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Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition)

Titel: Cherryblossom - Die Zeitwandler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Kamp
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Herzen. Dort lag der Junge, den ich getötet hatte. Alles in mir fühlte sich taub an. Meine Beine setzten ihren Weg fort, Schritt für Schritt dem Jungen und seiner Familie entgegen, die ich so dringend um Vergebung bitten wollte. Lennox an meiner Seite. Wie aus weiter Ferne hörte ich ihn auf mich einreden, hörte ihn protestieren.
    Der Wind frischte auf und ich spürte die Tränen, die über meine Wangen liefen, kalt auf meiner Haut. Ich hatte das Gefühl, immer dichter an das Grab heranzuschweben. Ich erkannte Maike und Evelyn, Marks Eltern, die Erde auf den Sarg niederrieseln ließen. Seine Mutter, wie ihre Schultern leise von Schluchzern geschüttelt wurden. Noch nie war ich auf einer Beerdigung gewesen, es war erdrückend. Ich fühlte mich, als würde ich durch eine Milchglasscheibe auf diese Leute schauen, als ich plötzlich spürte, wie jemand aus der Menge mich bemerkte. Lennox’ Hand zog an mir und ließ mich stoppen.
    Maike sah mich überrascht an. Ich war bis auf wenige Meter an die Begräbnisstelle herangetreten. Als Evelyn ihrem Blick folgte und in meine Richtung starrte, folgten ihr weitere. Mir stockte der Atem. Maike schüttelte leicht und sorgenvoll den Kopf und beschwor mich, stumm zu gehen. Ich war jedoch wie festgewachsen, und als Marks Mutter sich mir zuwandte, war es wie ein Schlag in den Magen. Lennox verstärkte seinen Griff. Er wollte, dass wir verschwanden, doch ich schüttelte ihn ab.
    Langsam kam Marks Mutter auf mich zu, ihr Gesicht eine kontrollierte Maske. Ich sah auf den Boden, wich ihr aus und kramte angestrengt nach den richtigen Worten. Ich wühlte immer noch verzweifelt, als sie schon vor mir stand mit verweinten Augen und einem bitteren Zug um ihren schmalen Mund. Gleichzeitig spürte ich, wie alle anderen Trauergäste mich anstierten. Dann ging alles ganz schnell. Ich setzte zum Sprechen an und im selben Moment holte sie mit vor Wut und Trauer verzerrtem Gesicht aus, griff mich mit beiden Händen an meiner Jacke, schüttelte und zerrte zornig an mir, schrie mich an. Mir war es unmöglich, den Sinn ihrer Worte zu erfassen, während ich taumelte. Meine Augen weiteten sich vor Schreck, ein Keuchen drang aus mir heraus. Ich nahm das Flimmern in der Luft kaum wahr. Lennox fluchte hinter mir auf.
    Ich sah einen Knopf meiner Jacke wie in Zeitlupe vor meinem Gesicht davonfliegen. Die Menschen am Grab bewegten sich langsam und schwerfällig , wandten die Köpfe uns zu, einige traten in unsere Richtung, andere wandten sich ab. Ich sah eine weiße Taube auffliegen und sich unendlich langsam in die Luft erheben. Eine seltsame Erregung erfasste mich urplötzlich, verschlang alle anderen Gefühle, die mich eben noch beinahe besinnungslos machten, und ich grub für einen Moment meine schmerzenden Finger in den Arm der Frau. Ihr erstarrtes Gesicht blickte mir mit trostlosen Augen entgegen. Ein Strom von Energie durchbrach eine Mauer zu mir und flutete mich, als mich ein starker Arm zurückriss und ich wankend zum Stehen kam. Lennox knurrte mir irgendwas ins Ohr, aber das Rauschen in mir übertönte alles. Marks Mutter sah mich einen Moment verstört an und sammelte sich wieder.
    »Mach, dass du hier verschwindest! Du hast hier nichts verloren!«, zischte sie mir müd e zu.
    Ihr Mann war an ihre Seite geeilt, nahm sie am Arm und stützte sie, damit sie nicht zusammensackte. Er tat, als wäre ich nicht da. Mein Atem ging zitternd und ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. Evelyn war hinter den beiden aufgetaucht und blieb unmittelbar vor mir stehen. Sie sah mich an, aber es war anders als sonst.
    »Evi, ich …«
    Sie hob die Hand, um mich zu unterbrechen und lächelte eisig. Ich runzelte verwirrt die Stirn und verengte die Augen, als könnte ich dadurch genauer sehen und vielleicht erkennen, was so anders war.
    »Ich soll dir von Maike sagen, du sollst draußen am Hintereingang auf sie warten. Sie steht hinter dir, und du sollst tapfer sein.« Ich versuchte, mich ein wenig zu entspannen. Meine Beine zitterten schon leicht vor Überanstrengung, so verkrampft war alles.
    »Danke, ich weiß gar nicht ...«
    Doch sie fiel mir kühl ins Wort: » Bemüh dich nicht, Hanna. Maike magst du ja täuschen . « Aus ihren Augen blitzte Verachtung , als sie weitersprach: »Aber mich nicht. Ich weiß, dass du Mark umgebracht hast. Vielleicht sogar einfach nur aus Rache, weil er dich nicht so wollte wie du ihn. Ich wusste schon immer, dass etwas mit dir nicht stimmt. Du warst schon immer so anders,

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