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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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grobschlächtigen Mann in Bauernkleidung, dessen Gesicht missmutig verzogen war. Bruder Guillelmus trat dabei unruhig von einem Fuß auf den anderen, so als fühle er sich nicht wohl in seiner Haut. Über die Schulter des Bauern hinweg entdeckte er Katharina, und seine Miene hellte sich auf.
    Er sagte etwas zu seinem Mitbruder, der warf einen Blick auf Katharina und nickte dann. Mit langen Schritten kam Guillelmus zu Katharina und Richard herübergeeilt.
    »Frau Jacob!« Er steckte die Hände in die Ärmel seiner Kutte und neigte den Kopf zu einem Gruß. Dann sah er Richard an. Es war deutlich, dass er überlegen musste, woher er sein Gesicht kannte.
    »Das ist Richard Sterner«, half Katharina ihm aus.
    »Ah!« Bruder Guillelmus begrüßte auch ihn. »Womit kann ich Euch dienen?« Er sah abgekämpft aus, müde und grau im Gesicht.
    »Der Lochwirt sagte uns, dass die Leiche von der Frauentormauer hierhergebracht wurde«, meinte Richard.
    Ein düsterer Schatten flog über Guillelmus’ Gesicht, und plötzlich sah Katharina Angst in seinen Augen.
    »Nicht nur die«, sagte der Mönch.
    Richard schob sich ein wenig vor, und Katharina trat zur Seite, um ihm Platz zu lassen.
    Bruder Guillelmus wies hinter sich, in die Richtung, in der die Gebäudefluchten des weitläufigen Klosters lagen. »Ihr habt recht, der Tote von der Frauentormauer ist hier, aber man hat noch eine zweite Leiche gebracht. Eine ... hm, leichte Frau. Aber offenbar wurde Befehl erlassen, sie wieder mitzunehmen. Sie ist nicht mehr hier.«
    Katharina rieb sich über beide Wangen. Ihre Finger waren kalt, und dennoch fühlte sich die Haut ihres Gesichtes an wie aus Eis.
    Richard wirkte nicht besonders überrascht. »Wir müssen uns den Mann ansehen«, sagte er. Er sprach die Worte in der vollen Sicherheit, dass ihm der Zutritt zum Kloster nicht verwehrt werden würde. Und er hatte sich nicht getäuscht.
    »Es ist gut, Bruder Guillelmus«, ertönte eine Stimme hinter ihnen. »Ich kümmere mich um Herrn Sterner und Frau Jacob!« Bruder Johannes, der Infirmarius des Klosters, kam aus einer niedrigen Tür, die seitlich in der Nähe der Mauer angebracht war. Der Saum seiner Kutte war mit Strohhalmen verziert. Mit einem schiefen Grinsen trat Johannes näher und wischte sich dabei die Hände an einem schmutzigen Tuch ab.
    »Man könnte sagen, ich bin ein paar Stufen der Leiter hinabgestiegen«, sagte er statt einer Begrüßung, doch sein Blick lag gleichzeitig fragend und überrascht auf Katharina. Er wies zu der Tür, aus der er soeben getreten war. »Das sind die Ziegenställe. Eines der Tiere, das uns ein Bauer gebracht hat, war krank, und jetzt ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es nicht den ganzen Bestand ansteckt.« Er grinste schief. »Der Prior war der Meinung, mit meinen Erfahrungen als Infirmarius sei ich der beste Mann dafür.« Ihm war anzusehen, dass er selbst diese Meinung nicht teilte. Dann wischte er das Thema einfach beiseite. »Warum habe ich erwartet, dass Ihr herkommen würdet?«, wandte er sich an Katharina.
    »Vielleicht, weil Ihr es wart, der mir von den Leichen hier im Kloster erzählt hat?« Sie spürte seine Blicke wie Gewichte auf sich ruhen.
    »Dürfen wir uns den Toten ansehen?«, fragte Richard, bevor sie noch irgendetwas sagen konnte.
    Johannes fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Nun.« Dann fasste er einen Entschluss. »Kommt! Ich denke, ich werde Euch sowieso nicht davon abhalten können, oder?« Er wandte sich um und marschierte auf eine Tür zu. Sie führte in ein langgestrecktes Gebäude, das sich durch das gesamte Kloster zog. In den Gängen kamen ihnen Mönche entgegen, die sie neugierig musterten, jedoch kein einziges Wort an sie richteten. Von dem Gebäude aus gelangten sie in einen Kreuzgang.
    Katharinas Fäuste verkrampften sich so sehr, dass ihr Fingernagel endgültig einriss. Sie ließ den Stoff los, führte den Finger an den Mund und biss das Stückchen ab. Weil es ihr unziemlich vorkam, in einem Kloster einfach auf den Boden zu spucken, pflückte sie es von ihrer Zunge und schnippte es davon.
    Richard beobachtete sie dabei genau.
    Einen Moment lang fühlte sie sich tief berührt von der Sorge, die sie in seinen Augen las, und wieder musste sie den Impuls unterdrücken, nach seiner Hand zu greifen.
    Dann hatten sie die Tür erreicht, die Katharina wohlvertraut war. Sie richtete den Blick auf die Schnitzereien. Die Darstellung der Vertreibung aus dem Paradies. Katharina konnte den Blick nicht von der

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