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Cherubim

Cherubim

Titel: Cherubim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Körper.
    »Woran ist er gestorben?« Katharinas Stimme kratzte ihr im Hals.
    »Vielleicht an den Schmerzen?«, gab Bruder Johannes zu bedenken. Er war bis fast an die Kapellentür zurückgewichen, nachdem er das Laken entfernt hatte. Jetzt kam er zögernd wieder ein wenig näher. »Menschen können an großen Schmerzen sterben.«
    Katharina schüttelte den Kopf. »Heinrich war Schmerzen gewohnt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn umgebracht hätten.«
    »Es gibt eine Möglichkeit.« Richard sagte es, ohne den Blick von dem entstellten Gesicht abzuwenden.
    Katharina wartete, dass er weitersprach, aber er tat es nicht. Stattdessen blickte er auf. »Lass uns gehen«, bat er. Er war blass geworden, und seine Hände hatten angefangen zu zittern.
    »Was hast du?« Katharina hob die Hand, um ihn zu berühren. Kurz vorher stockte sie jedoch.
    Richard wischte sich über die Augen. »Es ist nichts. Lass uns gehen, dann erkläre ich dir, was du wissen willst.«
    Richard verspürte eine tiefe Erleichterung, als er die Vordertür seines Hauses aufsperrte und Katharina in die Diele treten ließ.
    »Ich komme sofort. Geh am besten schon mal in das Kontor«, bat er sie und marschierte mit langen Schritten in die Küche, wo er sich auf der Herdummauerung abstützte und versuchte, sein jagendes Herz zu beruhigen. Als ihm das einigermaßen gelungen war, hob er die Hände vor das Gesicht und betrachtete sie. Sie zitterten weniger, als er befürchtet hatte, aber dennoch zitterten sie.
    Probehalber schloss Richard die Augen.
    Das erste Bild, das sich in seinen Kopf brannte, war jenes von Heinrich und seinen leeren Augenhöhlen. Erst danach wurde es durch ein anderes ersetzt, bei dessen Anblick er aufstöhnte.
    Eine warme Hand legte sich auf seinen Rücken und ließ ihn zusammenzucken. »Was siehst du?«, fragte Katharina leise.
    Er hatte sie nicht hereinkommen hören.
    Ohne sich zu ihr umzuwenden, gab er ihr die Antwort. »Blonde Haare. Sie schweben im Wasser.«
    »Magdalena«, vermutete Katharina.
    Magdalena war seine kleine Schwester gewesen. Als sie beide noch Kinder gewesen waren, hatte er sie beim Spielen im Wasser getötet. Es war ein Unfall gewesen, jedenfalls hatte er all die Jahre, die seitdem vergangen waren, damit verbracht, sich genau davon zu überzeugen.
    Er nickte, und sein Kopf fühlte sich dabei so schwer an, als sei er mit Blei gefüllt.
    »Vorhin hast du behauptet, deine alten Dämonen wären besiegt«, meinte Katharina sanft.
    »Das waren sie auch.« Er überlegte, ob er ihr davon erzählen sollte, wie er Dagmars Leiche seziert hatte, aber er schreckte vor sich selbst zurück. Was, wenn er die zarten Bande, die zwischen ihm und Katharina gerade entstanden, dadurch zerriss? Wenn sich Katharinaangewidert von ihm abwandte, weil er seine Hände erneut in das Blut Unschuldiger getaucht hatte? Plötzlich kamen ihm seine Forschungen wieder sündhaft und dämonisch vor.
    Sie setzte zu einem Kopfschütteln an, und er konnte in ihrem Blick erkennen, dass sie ihm nicht glaubte. »Du zitterst wieder«, stellte sie fest. Dann überlegte sie. »Sind es neue Dämonen, Richard?« Sie nahm seine Hände zwischen die ihren und hielt sie fest.
    Richard schloss die Augen. Er fühlte sich schwach, aber er weigerte sich, ihr das zu zeigen. Er war ein Mann, Herrgott! Er konzentrierte sich auf den Druck ihrer Finger.
    Seine Haut war wärmer als die ihre.
    Er zwang sich zu einem kleinen Lächeln, und es gelang ihm. Er hatte sich wieder in der Gewalt. »Es ist wahrscheinlich klug, sich vor neuen Sünden zu fürchten«, sagte er. »Aber es ist überaus dumm, von den alten nicht zu profitieren.« Er entzog ihr seine Hände. »Ich habe dir versprochen, dir eine Antwort auf die Frage zu geben, woran Heinrich gestorben sein könnte. Komm.« Er marschierte an Katharina vorbei zur Küchentür und von dort aus zurück in sein Kontor.
    Katharina folgte ihm.
    Richard ging zu dem Sekretär zwischen den Fenstern und öffnete die Glastür von dessen Aufsatz. Er entnahm ihm eine dünne Mappe, die jener, die Katharina in ihrer Kammer hatte, sehr ähnlich sah. Sie wusste, dass sich darin die letzten jener Skizzen befanden, von denen er ihr einige geschenkt hatte.
    »Hast du die anderen noch?«, fragte er, während er in den Zeichnungen herumblätterte.
    »Natürlich.« Sie hatte ihn damals um die Zeichnungen gebeten, und er hatte sie ihr mit einer Mischung aus Skepsis und Freude überlassen.
    »Ich habe mich gewundert, dass du sie haben wolltest.« Er

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